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Artentod wegen Agrarausbau: DUH warnt vor ökologischem Super-GAU durch den Anbau auf stillgelegten Flächen

Berlin (ots)

Weltweite Energieknappheit und hohe Getreidepreise
fördern bereits jetzt Verlust an biologischer Vielfalt in Deutschland
- Landwirte haben in der laufenden Saison mehr als 300.000 Hektar 
stillgelegter Flächen für Mais, Raps und Getreideanbau umbrochen - 
Lebensraum von bedrohten Tier- und Pflanzenarten verloren - DUH warnt
vor unwiederbringlichem Verlust der Biodiversität und fordert 
sofortiges Ende der Flächenausweitung
Berlin, 29. Juli 2008: Der Hunger nach nachwachsenden Rohstoffen 
und energiereichen Getreidesorten für die Agrarindustrie führt nicht 
nur im Amazonas-Regenwald zum Verlust der biologischen Vielfalt. Auch
in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Bayern, Brandenburg und den 
anderen deutschen Flächenstaaten fördern Energiekrisen und hohe 
Getreidepreise das Artensterben und den Schwund von Biodiversität, 
hat eine Analyse der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) ergeben. In 
zehn landwirtschaftlich relevanten Bundesländern wurden im 
vergangenen halben Jahr zwischen 38 und 80 Prozent der ehemals 
stillgelegten Flächen wieder unter den Pflug genommen, anstatt sie 
weiterhin für den Erhalt der biologischen Vielfalt zu nutzen. Auf 
304.000 Hektar der ehemaligen ökologischen Ruheflächen wachsen in 
diesen Bundesländern nun Mais, Raps und Getreide für die 
agrarindustrielle Produktion.  "Wir beobachten daher ein 
beispielloses Artensterben in der deutschen Agrarlandschaft. 
Besonders Vogelarten, wie Braunkehlchen, Grauammer, Rebhuhn, 
Heidelerche, aber auch die als Frühlingsbote bekannte Feldlerche sind
davon betroffen", sagte Dr. Frank Neuschulz, Leiter des Bereichs 
Naturschutz bei der DUH.
Die enormen Flächenausweitungen übertreffen noch die kühnsten 
Voraussagen des Deutschen Bauernverbandes, der Ende 2007 
deutschlandweit mit 200.000 Hektar wieder bewirtschafteter Fläche auf
ehemaligen Brachen gerechnet hatte. Im September 2007 hatten die 
EU-Agrarminister in einer Eilentscheidung beschlossen, dass die 
Aussetzung der Flächenstilllegung für die Ernte 2008 auf Null gesetzt
wird. Waren seit Anfang der 1990er Jahre die Landwirte in der EU 
verpflichtet bis zu zehn Prozent ihrer jeweiligen Betriebsfläche 
stillzulegen, konnten sie daraufhin im Herbst 2007 und Frühjahr 2008 
auf diesen Flächen wieder frei über ihre Anbauplanung entscheiden. 
"Die Agrarminister haben die fatalen ökologischen Folgen billigend in
Kauf genommen", kritisierte Neuschulz. Er fürchtet einen "Super-GAU 
für die ökologische Vielfalt in der Kulturlandschaft".  Mindestens 
120.000 Feldlerchenpaare verlieren allein in den zehn von der DUH 
befragten Bundesländern ihren Lebensraum, schätzt Neuschulz. "Wir 
brauchen dringend ein EU-weites Programm zur Kompensierung dieser 
Flächenverluste insbesondere auf ertragsarmen Standorten mit 
entsprechenden Angeboten an die Landwirte", forderte Neuschulz. Die 
vorherige Koppelung an die jeweilige Betriebsgröße sei "eine gute 
Lösung", betonte Neuschulz. "Nun muss aber statt der Marktentlastung 
endlich auch der ökologische Effekt im Focus der Interessen stehen."
Allein in Brandenburg, einem Bundesland mit besonders armen 
Standortbedingungen, überlebten von den knapp 102.000 Hektar Brachen 
und Stilllegungsflächen im Jahr 2007 nur noch etwas mehr als die 
Hälfte das letzte Winterhalbjahr. Rund 45.000 Hektar - oder 450 
Quadratkilometer - wurden wieder unter den Pflug genommen, wobei der 
Maisanteil um 12 Prozent stieg. Entsprechende Zahlen liegen 
mittlerweile auch aus Teilregionen vor. Im landwirtschaftlich stark 
geprägten Landkreis Prignitz, im nordwestlichen Brandenburg 
verblieben von den knapp 10.000 Hektar Brachen des Jahres 2007 nur 
noch die Hälfte. Die Liste der zehn Bundesländer finden Sie unter 
http://transfer.duh.de/Allgemein/Brachflaechen.pdf
Ungenutzten Brachen kommt in der deutschlandweit intensiv 
genutzten Agrarlandschaft eine besonders wichtige Funktion als 
Rückzugsraum für viele Tier- und Pflanzenarten zu. So zeichnen sich 
Stilllegungsflächen im Vergleich zu konventionell bewirtschafteten 
Ackerflächen durch einen wesentlich höheren Blütenpflanzen- und 
Insektenreichtum aus und bieten so eine weit bessere Nahrungsbasis 
für Feldvögel, aber auch für Hasen, Feldhamster und Kleinsäuger. 
Feldvögel wie die seltene Grauammer, deren Bestände in den letzten 30
Jahren in den meisten Regionen Deutschlands um bis 80 Prozent abnahm,
haben Dank des Stilllegungsprogramms in Norddeutschland wieder einen 
Lebensraum gefunden.
Zur Begrenzung der horrenden Agrarüberschüsse führte die EU Anfang
der 1990er Jahre die Flächenstilllegung ein. Alle 
landwirtschaftlichen Betriebe, die Agrarzuschüsse in Anspruch nahmen,
waren seitdem verpflichtet 10 Prozent ihrer  Betriebsfläche aus der 
Nutzung zu nehmen. EU-weit waren das 2007 ca. 3,8 Millionen Hektar, 
in Deutschland ca. 1 Million Hektar. Wenngleich diese Regelung bei 
Landwirten und deren Interessenvertretungen stets unbeliebt blieb, 
war die Flächenstilllegung in Deutschland ein zwar unbeabsichtigtes, 
aber erstmals flächenwirksames Instrument zur Ökologisierung der 
artenarmen Agrarlandschaft.  Das lag vor allem auch daran, dass die 
meisten Landwirte ihre ertragsärmsten Standorte und schlechtesten 
Böden nicht mehr nutzten, die jedoch ökologisch besonders artenreich 
sind.
Die dramatische Entwicklung in unserer Kulturlandschaft steht auch
im Widerspruch zu den erklärten Zielen der Bundesregierung. Gemeinsam
mit den anderen EU-Mitgliedstaaten beschloss sie 2001 in Göteborg die
"Europäische Nachhaltigkeitsstrategie"  und im November 2007 eine 
"Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt" mit dem Ziel, bis 
2010 den Verlust an biologischer Vielfalt zu stoppen. In einem 
"Nachhaltigkeitsindikator für die Artenvielfalt" wurden u.a. 59 
Vogelarten aufgenommen, deren Bestandsentwicklung bundesweit anzeigen
soll, ob das erklärte Ziel erreicht wurde. Für den Lebensraum 
Agrarland stehen auch Feldlerche, Grauammer, Braunkehlchen, 
Heidelerche und Goldammer - just jene Arten, die besonders unter der 
Anbauausweitung leiden.
Fotos finden Sie unter www.duh.de.

Pressekontakt:

Dr. Frank Neuschulz, Leiter Naturschutz, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Gartenstraße 7, 29475 Gorleben, Mobil: 0160 89 50 556,
E-Mail: neuschulz@duh.de

Ulrike Fokken, Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 24 00 867-22,
Mobil:0151 55 01 70 09, E-Mail: fokken@duh.de

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