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Multifunktionskugel aus Schleim

TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN

PRESSEMITTEILUNG

Mikro-Hohlkörper für Wirkstoffe

Multifunktionskugel aus Schleim

  • Mikro-Hohlkörper für Wirkstoffe vereint vielfältige Eigenschaften
  • Haftet gut an Weichgewebe und Knorpeln
  • Mögliche zukünftige Anwendungen bei Osteoarthritis oder Entzündungen der Mundschleimhaut denkbar

Forschende der Technischen Universität München (TUM) haben mit einer einfachen und skalierbaren Herstellungsmethode Mikro-Hohlkörper aus Schleim und Polydopamin entwickelt. Diese sollen als Wirkstoff-Verpackung zum Einsatz kommen, zum Beispiel in Gelenken oder an der Mundschleimhaut. Ihre Eigenschaften und Wirkweise variieren je nach biologischer Umgebung und lassen sich durch die Materialwahl gezielt beeinflussen.

Oliver Lieleg, Professor für Biopolymermaterialien, und sein Team nutzen die vielfältigen Eigenschaften von Mucinen - der Hauptbestandteil von Schleim wie wir ihn auch in der Mundschleimhaut oder im Magen haben - für technologische Lösungen in der Biomedizin. Ihre neueste Entwicklung: Eine Multifunktionskugel aus Mucin und dem Polymer Polydopamin. Sie soll eine allmähliche Wirkstofffreigabe an Körperstellen ermöglichen, an denen die Haftung solcher Wirkstoff-Verpackungen sonst nur schwer gelingt, wie an der Mundschleimhaut oder an Knorpeln.

Diese gute Haftwirkung wurde an tierischen Gewebeproben getestet und entsteht vor allem durch das Polydopamin. Aber auch das Mucin bringt wichtige Eigenschaften mit: Unter anderem lassen sich dadurch die Porengrößen der Kugeln besser einstellen und es wirkt zudem als natürliches Gleitmittel. „Dies könnte beispielsweise beim Einsatz an Gelenken helfen, Reibungsschäden zu verhindern. Ebenso kann es als Schutzschicht dienen, etwa bei verletztem Gewebe im Mund – ein weiterer Vorteil zusätzlich zur Funktion als Wirkstoffverpackung“, sagt Di Fan, Erstautorin der Studie.

Die Hohlkörper lassen sich einfach herstellen, beladen und abdichten

Die Herstellung der neuen Hohlkörper beginnt mit einem etablierten Verfahren: Ein Kern wird zunächst mit den gewünschten Materialien umhüllt und dann aufgelöst, sodass ein Hohlkörper übrigbleibt. Mit anderen Materialien hergestellte Hohlkörper schrumpfen allerdings manchmal oder gehen kaputt, wenn der Kern zerstört wird. Solche aus Polydopamin und Mucin sind dagegen formstabil. Ihre Oberfläche ist porös, so kann der Wirkstoff dazugegeben werden und in die Kugeln eindringen, wie in der Studie mit Beispielmolekülen zum Beladen gezeigt.

Es folgt ein entscheidender, neuer Schritt: Mit einer weiteren Komponente dichten die Forschenden die Oberfläche weiter, jedoch nicht vollständig, ab. So bleibt nach dem Beladen mehr vom Wirkstoff im Inneren erhalten und wird erst langsam freigesetzt. Möglich ist das Abdichten mit verschiedenen Materialien. Besonders gut funktioniert hat es mit Silberionen, also geladenen Silberatomen.

Schutz oder Zerstörung: Material und biologische Umgebung beeinflussen die Wirkung

Das Material, das man zum Abdichten verwendet, entscheidet auch mit über die Wirkweise der Mikrokugeln. „Verwendet man Silberionen, helfen die Mikrokugeln Zellen abzutöten. Dies könnte besonders bei Tumoren sehr nützlich sein“, sagt Di Fan, die verschiedene Wirkweisen in Zellkultur gezeigt hat.

Ohne Silberionen kommen dagegen die entzündungshemmenden Eigenschaften des Polydopamins zum Tragen und schützen die Zellen vor chemischem Stress. Dies ist besonders nützlich bei entzündetem Gewebe und in der Anwendung etwa bei Osteoarthritis oder chronischen Wunden denkbar. Sowohl das Abdichtungsmaterial als auch die biologische Umgebung beeinflussen, wie schnell die Wirkstoffe abgegeben werden.

„Mit den Mikro-Hohlkörpern haben wir ein System zur Wirkstofffreisetzung geschaffen, das einfach herzustellen, skalierbar und flexibel anpassbar ist“, sagt Projektleiter Lieleg. „Unsere gewählte Materialkombination aus Mucin und Polydopamin vereint viele Vorteile, die über die Wirkweise klassischer Systeme zur Wirkstofffreisetzung hinausgehen. So kann man damit beispielsweise je nach Anwendungsbedarf Zellen zerstören oder schützen.“

Publikation:

Di Fan, Chiara Gunnella, Yukun Wang, Luca Reichert, Pedro Henrique da Rosa Braun, Jan Torgersen, Oliver Lieleg: Multi-Functional Polydopamine-Mucin Hollow Particles Provide Tunable Shell Permeability, ROS Scavenging, Tissue Adhesion, and Lubricity for Biomedical Applications. Small (2025). https://doi.org/10.1002/smll.202503238

Weitere Informationen:

  • Oliver Lieleg ist Professor für Biopolymermaterialien an der TUM School of Engineering and Design.
  • Er forscht am TUM Center for Functional Protein Assemblies (CPA) und am Munich Institute of Biomedical Engineering (MIBE) der TUM.
  • Das MIBE ist ein Integratives Forschungsinstitut. Hier entwickeln und verbessern Forschende aus der Medizin, den Natur- und Ingenieurwissenschaften und der Informatik gemeinsam Verfahren zur Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten. Die Aktivitäten reichen von der Untersuchung grundlegender wissenschaftlicher Prinzipien bis zu deren Anwendung in medizinischen Geräten, Medikamenten oder Computerprogrammen.

Zusatzinformationen für Redaktionen:

Diese Meldung auf tum.de: https://www.tum.de/aktuelles/alle-meldungen/pressemitteilungen/details/multifunktionskugel-aus-schleim

Wissenschaftlicher Kontakt:

Prof. Dr. Oliver Lieleg

Technische Universität München

Professur für Biopolymermaterialien

oliver.lieleg@tum.de

Kontakt im TUM Corporate Communications Center:

Carolin Lerch

Pressereferentin

Tel. +49 89 289 10808

presse@tum.de

www.tum.de

Die Technische Universität München (TUM) ist mit rund 700 Professuren, 53.000 Studierenden und 12.000 Mitarbeitenden eine der weltweit stärksten Universitäten in Forschung, Lehre und Innovation. Ihr Fächerspektrum umfasst Informatik, Ingenieur-, Natur- und Lebenswissenschaften, Medizin, Mathematik sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Sie handelt als unternehmerische Universität und sieht sich als Tauschplatz des Wissens, offen für die Gesellschaft. An der TUM werden jährlich mehr als 70 Start-ups gegründet, im Hightech-Ökosystem München ist sie eine zentrale Akteurin. Weltweit ist sie mit dem Campus TUM Asia in Singapur sowie Büros in Brüssel, Mumbai, Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinderinnen und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006, 2012 und 2019 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings wird sie regelmäßig als beste Universität in der Europäischen Union genannt.

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