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Auf automatica zu sehen: Robotermodul für Behandlung im Flug

TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN

PRESSEMITTEILUNG

Spannungspneumothorax aus der Ferne entlasten

Roboter behandelt Verletzte im Flug

  • Auf der automatica 2025 zeigen Forschende den Einsatz von Robotik im medizinischen Notfall.
  • Die Lösung ist sowohl für zivile als auch militärische Anwendungsfälle gedacht.
  • Das Forschungsprojekt wird vom Europäischen Verteidigungsfond gefördert.

Forschende der Technische Universität München (TUM) haben ein medizinisches Robotersystem entwickelt, das Leben retten kann. Es entlastet Verletzte mit lebensbedrohlichem Spannungspneumothorax im Brustraum. Auf der Robotikmesse Automatica stellen die Forschenden erstmals die robotische Lösung vor, die künftig während des Evakuierungsflugs telemedizinisch bedient werden kann. Sie ist innerhalb des vom Europäischen Verteidigungsfond finanzierten Projektes iMEDCAP entstanden.

Bei einem Spannungspneumothorax sammelt sich – zum Beispiel nach einem Verkehrsunfall oder einer Schussverletzung – Luft zwischen dem Rippenfell und der Lunge an. Diese Luft kann nicht entweichen und staut sich zunehmend. Dadurch entsteht Druck im Brustkorb, der die Lunge zusammendrückt und schließlich auch das Herz und die großen Blutgefäße beeinträchtigt. Der Puls steigt, der Blutdruck fällt und schließlich bricht der Kreislauf zusammen. „Dieser Spannungspneumothorax ist lebensgefährlich“, sagt Carolin Müller, Forscherin in der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie des TUM Klinikums. Wird er nicht behandelt, versterben die Betroffenen innerhalb von Minuten. „Er wird oft übersehen, ist aber leicht zu behandeln, indem eine Dekompressionsnadel in den Brustkorb gestochen wird, damit die eingeschlossene Luft entweichen kann.“

Roboter übernimmt die Erstversorgung von Verletzen

In unzugänglichen Gebieten kann das künftig ein Roboter übernehmen, für dessen Arm die Forschenden einen Aufsatz entwickelt haben. Dieser „Endeffektor“ kombiniert eine Dekompressionsnadel, also ein „Nadel-Katheter-System“ wie man es auch für einen Venenzugang nutzt, mit einem Ultraschallgerät. Nur zwei Positionen, der „Monaldi“- und der „Bülau“-Punkt im zweiten und fünften Zwischenrippenraum, kommen für den Einstich der Nadel in Frage. Per Ultraschall lassen sich diese Punkte zweifelsfrei bestimmen. Zudem kann das System diagnostizieren, ob tatsächlich ein Pneumothorax vorliegt.

Mithilfe des neuen Mechanismus, den Müller zusammen mit Forschenden aus dem Lehrstuhl für Mikrotechnik und Medizingerätetechnik (MiMed) der TUM entwickelt hat und der nun erstmals auf der Automatica gezeigt wird, dringen die Nadel und der sie umgebende Katheter durch die Haut in den Brustkorb ein. Während die Nadel wieder herausgezogen wird, verbleibt der Katheter im Körper und die Luft kann entweichen. „So wird entscheidende Zeit gewonnen, um Betroffene eines Spannungspneumothorax etwa nach einer Brustkorbverletzung infolge eines Verkehrsunfalls oder einer Schussverletzung behandeln zu können“, erläutert Prof. Peter Biberthaler, Direktor der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie des TUM Klinikums.

Flugkapsel und telemedizinische Anwendungen zusammen gedacht

Diese Ergebnisse sind Teil des Forschungsprojektes iMEDCAP, das der European Defense Fund seit dem Start am 1. Dezember 2023 für drei Jahre mit insgesamt 25 Millionen Euro fördert. Fokus liegt auf der „Entwicklung von intelligenten militärischen Fähigkeiten zur Überwachung, medizinischen Versorgung und Evakuierung von ansteckenden, verletzten und kontaminierten Personen“. Unter Leitung des TUM-Lehrstuhls für Flugsystemdynamik sind 24 Organisationen aus neun Ländern an den Forschungen beteiligt, darunter das Bundesministerium für Verteidigung, Institute der Bundeswehr sowie das Start-up AVILUS, das u.a. Drohnen für medizinische Evakuierungen entwickelt und von fünf Promovierenden der TUM mitgegründet worden ist.

Das Ziel ist unter anderem, mit dem bereits im Test befindlichen Avilus-Fluggerät “Grille” schwerverletzte Patientinnen und Patienten ferngesteuert und möglichst schnell aus Gefahrenzonen und Krisengebieten evakuieren zu können. Die zukünftig in der Drohne angebrachten Roboterarme ermöglichen eine Behandlung bereits während des Flugs. Dazu schaltet sich eine Ärztin oder ein Arzt zu. Die in der Ferne getroffenen notfallmedizinischen Entscheidungen kann der Roboterarm durch Interventionsmodule umsetzen und so Menschenleben retten.

Weitere robotische Module in der Entwicklung

Weitere robotische Module entwickelt die MiMed-Forschungsgruppe Rescue-Robotics unter Leitung von Christoph Parhofer derzeit. Dabei geht es um Module, die eigenständig über einen so genannten ossären Zugang Medikamente über den Knochen verabreichen, durch Anlegen eines Tourniquet genannten Abbindesystems starke Blutungen der Arme und Beine stoppen oder im Falle eines militärischen Ernstfalls mit Einsatz von Chemiewaffen beispielsweise Atropin spritzen können. „Unsere robotischen Module sind in der Lage, einige der Handgriffe zu übernehmen, die direkt nach einem Unfall nötig sind“, sagt MiMed-Lehrstuhlinhaber Prof. Tim Lüth, „wichtig ist, dass die Anwendung robust ist und nicht ausfällt, wenn es um Sekunden geht.“

Weitere Informationen

  • Guided Tour für Medienvertreter und -vertreterinnen: Dienstag, 12:30 bis 13:30; Treffpunkt Infodesk auf der automatica, Halle 4, Stand 329; Akkreditierung: andreas.schmitz@tum.de
  • Auf der Automatica ist ein Demonstrator des Moduls zu sehen, das im Falle eines Pneumothorax eingesetzt werden kann. Es ist im Rahmen des EU-Projekts iMEDCAP in Zusammenarbeit des Lehrstuhls für Unfallchirurgie des TUM Klinikums rechts der Isar und dem Lehrstuhl für Mikrotechnik und Medizingerätetechnik (MiMed) entstanden. Hier geht es zu allen Demos aus der Automatisierungsmesse, die vom 24. bis zum 27. Juni in München stattfindet: Messe München; AI.Society, Halle B4, Stand 329
  • Der Europäischen Verteidigungsfonds: Der Europäische Verteidigungsfonds (EDF) ist ein mehrjähriges Rahmenprogramm, das wettbewerbsfähige und kooperative Projekte über den gesamten Forschungs- und Entwicklungszyklus hinweg unterstützt, um einen größeren Einfluss auf die europäischen Verteidigungsfähigkeiten und die Industrielandschaft zu erzielen. Es fördert die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Forschungsakteuren jeder Größe und geografischer Herkunft in der Europäischen Union und Norwegen bei der Forschung und Entwicklung modernster und interoperabler Verteidigungstechnologie und -ausrüstung. Weitere Informationen finden Sie unter https://eda.europa.eu/what-we-do/EU-defence-initiatives/european-defence-fund-(edf)
  • Das iMEDCAP-Projekt (Development of intelligent military capabilities for monitoring, medical care and evacuation for contagious, injured and contaminated personnel, Grant Agreement Number 101121421) startete am 1. Dezember 2023 und hat eine Laufzeit von 36 Monaten. Es vereint Partner aus den Streitkräften, Universitäten, kleinen und mittelständischen Unternehmen und der Industrie. Information: https://defence-industry-space.ec.europa.eu/system/files/2023-06/iMEDCAP-Factsheet_EDF22.pdf

Publikation:

W. Schmidbauer, C. Jänig, E. Vits, T. Gruebl, S. Sauer, N. Weller, K. Kehe, F. Holzapfel, T. Lüth, K. G. Kanz, E. Rittinghaus, P. Biberthaler; Ein neues Rettungskonzept für Schwerstverletzte in militärischen und zivilen Großschadenslagen: DRONEVAC; Notfall & Rettungsmedizin, 7-2023 https://link.springer.com/article/10.1007/s10049-023-01190-5

Zusatzinformationen für Redaktionen:

Fotos zum Download: https://mediatum.ub.tum.de/1784134

Wissenschaftlicher Kontakt:

Prof. Peter Biberthaler

Leitung Unfallchirurgie

TUM Klinikum

peter.biberthaler@tum.de

Prof. Tim Lüth

Lehrstuhl für Mikrotechnik und Medizingerätetechnik (MiMed)

Technische Universität München

tim.lueth@tum.de

Kontakt im TUM Corporate Communications Center:

Andreas Schmitz

0162-27 46 193

andreas.schmitz@tum.de

Die Technische Universität München (TUM) ist mit rund 700 Professuren, 53.000 Studierenden und 12.000 Mitarbeitenden eine der weltweit stärksten Universitäten in Forschung, Lehre und Innovation. Ihr Fächerspektrum umfasst Informatik, Ingenieur-, Natur- und Lebenswissenschaften, Medizin, Mathematik sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Sie handelt als unternehmerische Universität und sieht sich als Tauschplatz des Wissens, offen für die Gesellschaft. An der TUM werden jährlich mehr als 70 Start-ups gegründet, im Hightech-Ökosystem München ist sie eine zentrale Akteurin. Weltweit ist sie mit dem Campus TUM Asia in Singapur sowie Büros in Brüssel, Mumbai, Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinderinnen und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006, 2012 und 2019 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings wird sie regelmäßig als beste Universität in der Europäischen Union genannt.

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