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Dichtung und Wissenschaft wohnen nahe beieinander auf getrenntesten Bergen

Dichtung und Wissenschaft wohnen nahe beieinander auf getrenntesten Bergen
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„Was haben Athen und Jerusalem miteinander zu tun?“ So fragte in der Spätantike der frühchristliche Schriftsteller Tertullian, der um das Jahr 220 starb. Er meinte damit: Was haben heidnische Philosophie und Christentum gemeinsam? Und eine Reihe von Denkern machte sich in der Folge daran, ihre gegenseitige Nähe zu beweisen, etwa Origines, Clemens von Alexandrien, Justin der Märtyrer, der Kirchenvater Augustinus und andere christliche Philosophen. Sie anverwandelten das heidnische Denken dem christlichen Glauben. So wurde etwa der Philosoph Platon in ihren Augen zu einem „griechisch sprechenden Moses.“

Im zwanzigsten Jahrhundert aber stellten sich für die Denker andere Fragen: Was haben Dichtung und Philosophie, Poesie und Wissenschaft miteinander zu tun? Äußerlich gesehen sind auch dies zwei ganz verschiedene Gebiete. Dichtung erzählt aus dem Leben, widmet sich dem Besonderen, während die Philosophie mehr das Allgemeine, die gültigen Gesetze des Daseins ins Auge fasst. Ihre Aufgaben sind also ganz verschieden. Der Philosoph Martin Heidegger sah dies anders. Er schrieb: „Dichtung und Wissenschaft wohnen nahe beieinander auf getrenntesten Bergen.“ In meinem historischen Roman „Heimlicher König im Reich des Denkens“ erzählt sein Bruder Fritz über das Leben und die Philosophie Martin Heideggers. Und ein Kapitel ist überschrieben: „Der große Interpret von Texten und der Kunst“.

Martin Heidegger war ein Schüler und Assistent des Phänomenologen und Philosophen Edmund Husserl, der vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg in Freiburg als Professor lehrte. Er hatte sich also ganz der Wissenschaft verschrieben. Dennoch war Martin Heidegger immer auch von großer Dichtung fasziniert. Vor allem Friedrich Hölderlin, Rainer Maria Rilke und Georg Trakl interpretierte er und brachte sie den Lesern nahe. Schon in seiner Schülerzeit hatte er die Romane Dostojewskis gelesen.

Später faszinierte ihn auch sein alemannischer Landsmann Johann Peter Hebel, dem er eine eigene Schrift widmete. Martin Heidegger erhielt auch in den sechziger Jahren den nach diesem Dichter benannten Preis. Er hatte sich verdient gemacht um die Verbreitung der Werke Johann Peter Hebels. Dessen „Kalendergeschicten“ etwa sind auch heute noch mit Gewinn zu lesen. Eine der bekanntesten darunter ist „Kannitverstan“. Dies ist holländisch und bedeutet „Kann ich nicht verstehen“. Ein Handwerksgeselle aus Deutschland kommt in dieser Geschichte nach Amsterdam und erhält immer diese Antwort auf seine Fragen. Er kommt zu dem Schluss, dieser „Kannitverstan“ müsste ein bedeutender Mann sein. Auch als er einmal einen Trauerzug beobachtet und frägt, wen die Menschen hier zu Grabe tragen, bekommt er die Antwort „Kannitverstan“. Wieder versteht er es falsch und meint, damit sei der Name des Toten genannt, aber immerhin erkennt er, dass auch bedeutende Leute sterben müssen, während er als einfacher Wandergeselle weiterleben darf. Er kann sich eines Daseins freuen.

Martin Heidegger schrieb aber auch gern über Maler und Bildhauer. Mehrere Seiten widmete er dem Gemälde „Ein Paar Schuhe“ von Vincent van Gogh, das heute im nach dem Maler benannten Museum in Amsterdam hängt. Martin Heidegger stellte seine Betrachtungen über das Bild an: „Nicht einmal Erdklumpen von der Ackerscholle oder vom Feldweg kleben daran, was doch wenigstens auf ihre Verwendung hinweisen könnte. Ein Paar Bauernschuhe und nichts weiter. Und dennoch. Aus der dunklen Öffnung des ausgetretnen Inwendigen des Schuhzeugs starrt die Mühsal der Arbeitsschritte… Auf dem Leder liegt das Feuchte und Satte des Bodens. Unter den Sohlen schiebt sich die Einsamkeit des Feldweges durch den sinkenden Abend. Die Bäuerin trägt dagegen einfach die Schuhe. Wenn dieses einfach Tragen so einfach wäre. So oft die Bäuerin am späten Abend in einer harten, aber gesunden Müdigkeit diese Schuhe wegstellt und im noch dunklen Morgendämmern nach ihnen greift oder am Fenster an ihnen vorbeikommt, dann weiß sie ohne Beobachten und Betrachten all jenes.“ Dieses hier so ausgezeichnet beschriebene Gemälde von van Gogh ist auf dem Buchcover abgebildet.

Martin Heidegger ist mit dem 1927 erschienenen Werk „Sein und Zeit“ weltberühmt geworden. Ein weiteres wichtiges Buch von ihm ist „Holzwege“, das 1950 herauskam und den Aufsatz „Der Ursprung des Kunstwerkes“ enthält. Darin ist vor allem eine Theorie bedeutsam geworden. Er beschrieb diese künstlerischen Ausdrucksformen als „Ins-Werk-Setzen-der-Wahrheit“. Es geht dem Kulturschaffenden also weniger um äußere Anerkennung, auch wenn sie jeder gern hat, sondern um die Inhalte, die er vermitteln will. Diese Definition bei Martin Heidegger hat viele Autoren, Malern und andere Künstler beeinflusst.

Ein kritischer Zeitgenosse, ein leibhaftiger emeritierter Theologieprofessor, setzte mir unlängst, als ich das Zitat anbrachte, entgegen: „Was ist Wahrheit?“ Dies war ja schon die Frage des Pontius Pilatus beim Verhör Jesu und dieser outete sich dann bekanntlich als Repräsentant derselben. Ich verwies gegenüber dem Theologieprofessor auf den mittelalterlichen Philosophen Thomas von Aquin, der Wahrheit als „adaequatio intellectus ad rem“, als „Übereinstimmung des Intellekts mit der Sache“ bezeichnete. Sie ist also immer subjektiv, die reine objektive ist dagegen nur Gott vorbehalten, wie schon Friedrich Schiller in dem Gedicht „Das Bildnis von Sais“ schrieb. Vielleicht werden wir sie einmal im Jenseits schauen, so wir in den Himmel gelangen sollten, was Gott geben möge.

Nun hat uns die Betrachtung doch ein wenig von Martin Heidegger weggeführt, aber er hat diese Gedanken auch ausgelöst. Bei all diesen Verdiensten um die Kunst ist es verständlich, dass Martin Heidegger als eigentlich „fachfremder“ Philosoph auch eine Berufung an die Akademie der Schönen Künste in München erhielt. So hoffe ich, Sie werden beim Genießen von Erzeugnissen der Literatur, Malerei und anderen Gebieten noch oft in den Genuss einer solchen Wahrheit kommen, wie der Mann aus Meßkirch sie beschreibt.

Sind Sie neugierig geworden und Sie wollen mehr? Kontaktieren Sie uns gerne. Wir freuen uns auf Sie.

Herzlichst Ihr

Markus Herrmann

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