Europäisches Verbraucherzentrum Deutschland
Strafzettel aus Frankreich, doch das Auto gehört ihm gar nicht
Strafzettel aus Frankreich, doch das Auto gehört ihm gar nicht
Herr S. staunt nicht schlecht, als ein Strafzettel aus Frankreich in seinem Briefkasten landet. Angeblich sei er zu schnell gefahren. Zusätzlich fordert die Behörde eine offene Mautgebühr ein. Der Haken: Das Fahrzeug, um das es geht, gehört Herrn S. gar nicht. Was also tun? "Justiz ohne Grenzen" des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz e.V. erklärt, wie Autofahrer mit ungerechtfertigten Strafzetteln aus Frankreich umgehen sollten.
Der kuriose Fall des Herrn S.
Knapp 70 Euro soll Herr S. aus Baden-Württemberg für die Geschwindigkeitsüberschreitung bezahlen. Versäumt er die Zahlungsfrist, droht eine Erhöhung auf 180 Euro. Und damit nicht genug. Ein weiteres Schreiben fordert ihn auf, eine offene Mautforderung zu begleichen. In Frankreich keine Kleinigkeit, denn bei Nichtzahlung kann die Summe auf bis zu 375 Euro ansteigen.
Das angegebene Fahrzeug, ein Peugeot mit französischem Kennzeichen, gehört Herrn S. aber gar nicht. Zwar stimmen sein Name und seine Anschrift überein, aber das Auto ist ihm völlig unbekannt. Zum angegebenen Zeitpunkt war er noch nicht einmal in Frankreich unterwegs. Vor einiger Zeit wurde jedoch eine Kopie seines Personalausweises online durch Phishing abgegriffen. Die Vermutung liegt nahe, dass Betrüger sich der Identität von Herrn S. bemächtigt haben.
Was tun bei "falschen" Strafzetteln aus Frankreich?
Für etwas zu bezahlen, das er nicht zu verantworten hat, kommt für Herrn S. nicht in Frage. Darin bestärkt ihn das Projektteam von "Justiz ohne Grenzen", an das er sich wendet. Das Interreg-Projekt des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz e.V. hilft bei Rechtsstreitigkeiten mit deutsch-französischem Bezug. Wenn nötig, organisiert es Erstberatungen mit zweisprachigen Rechtsexperten.
"Wir raten dringend davon ab, ungerechtfertigte Forderungen zu begleichen", erklärt Linda Fußmann, Juristin im Projekt, "Genauso wichtig ist es aber, die Schreiben nicht zu ignorieren".
Betroffene sollten die Angaben auf dem Bescheid sorgfältig prüfen. Stammen diese von einer offiziellen französischen Behörde? Stimmen Reisedaten und Kennzeichen überein? Dann ist die Forderung meist berechtigt.
Kommt es wie bei Herrn S. zu Unstimmigkeiten, sollte man widersprechen. In Frankreich ist das sowohl bei Strafzetteln als auch bei Mautforderungen online möglich. Die jeweiligen Webseiten sind in den Schreiben aufgeführt. Es empfiehlt sich, schnell zu handeln. Bei Bedarf bietet "Justiz ohne Grenzen" kostenlose Unterstützung. Herr S. zum Beispiel konnte sich von einem französischen Anwalt beraten lassen, der ihn über seine rechtlichen Möglichkeiten aufklärte.
Schutz vor Identitätsklau
Dank der Hilfe weiß Herr S. nun, was er tun wird. Der Baden-Württemberger geht davon aus, dass Betrüger seine Ausweisdaten abgefangen und damit ein Auto angemeldet haben. Deshalb erstattet er Anzeige bei der Polizei. Für Betroffene wichtig zu wissen: Ist die Online-Ausweisfunktion aktiv, sollte man diese über die Hotline 116 116 sperren lassen.
"Justiz ohne Grenzen" empfiehlt, Ausweiskopien nur dann digital zu versenden oder im Internet hochzuladen, wenn es unbedingt notwendig ist. "Das Dokument sollte dafür mit einem Wasserzeichen versehen werden, um Missbrauch zu erschweren", so Fußmann. Online finden sich zahlreiche Anleitungen, wie man dabei am besten vorgeht.
"Justiz ohne Grenzen" ist ein Projekt des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz e.V. Seit 2023 konnte es 1.900 Anfragen zu deutsch-französischen Rechtsstreitigkeiten beantworten und über 700 juristische Erstberatungen für Bürgerinnen und Bürger organisieren. Weitere Informationen unter www.cec-zev.eu.
"Justiz ohne Grenzen" wird finanziert von
- Interreg Oberrhein
- dem Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg
- dem Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg
- dem französischen Ministerium für Europa und Äußeres
- dem französischen Ministerium für Justiz
- der Région Grand Est
- der Collectivité Européenne d’Alsace
- der Stadt und Eurometropole Straßburg
- dem Conseil Départemental de l‘Accès au Droit du Bas-Rhin
Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz e.V. Bahnhofsplatz 3 77694 Kehl www.cec-zev.eu