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Streuobstwiesen: Hessisches Kulturgut in Gefahr

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Streuobstwiesen: Hessisches Kulturgut in Gefahr

Naturschutzakademie Hessen bildet StreuobstbotschafterInnen und StreuobstfachwirtInnen aus

Wiesbaden, 23.09.2025 – Streuobstwiesen sind aus unserer hessischen Kulturlandschaft nicht wegzudenken, sie prägen vielerorts unser Landschaftsbild und vermitteln ein Gefühl von Heimat. Gleichzeitig bieten sie ca. 3.500 Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum und versorgen uns darüber hinaus noch mit alten, regionalen Obstsorten. Echte Multitalente also.

Das Problem: Die Anzahl an hessischen Streuobstwiesen nimmt seit Jahren kontinuierlich ab. Sie müssen der Erweiterung von Siedlungsfläche weichen oder werden einfach nicht mehr gepflegt und überaltern, wodurch Bestände zusammenbrechen und verbrachen. Ein Grund dafür ist auch, dass vielerorts das Wissen darüber fehlt, wie alte Bestände überhaupt gepflegt oder auch neue Streuobstwiesen angelegt werden können. Genau hier setzen die beiden Lehrgänge „Streuobstfachwartin und Streuobstfachwart“ und „Streuobst erleben und vermitteln im jahreszeitlichen Verlauf“ an. Ziel der beiden Lehrgänge der Naturschutzakademie Hessen (NAH) im Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) ist es, Menschen für Streuobstwiesen zu begeistern, das Wissen über diese besonderen Biotope und über deren Pflege zu erhalten und dadurch dem Schwinden des hessischen Kulturguts entgegenzuwirken.

Im Lehrgang „Streuobstfachwartin und Streuobstfachwart“ lernen die Teilnehmenden die fachliche und praktische Grundlage für die Pflanzung und Pflege von hochstämmigen Obstbäumen – und das geschieht nicht nur im Seminarraum, sondern auch vor Ort im Garten der NAH: Hier können die Teilnehmenden in einem alten Streuobstbestand das Gelernte direkt in die Tat umsetzen. Die Ausbildung besteht aus sieben Module: Dazu gehören die Grundlagen der Jung- und Altbaumpflege, die Veredelung von Obstbäumen, die Förderung der Baumgesundheit, der Sommerschnitt, die Pomologie, also das Studium der äußeren und inneren Merkmale einer Frucht, sowie die Neuanlage von Streuobstwiesen. Seit 2020 wurden in der Naturschutzakademie bereits 93 zertifizierte Streuobstfachwartinnen und Streuobstfachwarte für Hessen ausgebildet. Die Nachfrage ist hoch: Die jährlichen Kurse sind immer ausgebucht.

Ebenso beim Lehrgang „Streuobst erleben und vermitteln im jahreszeitlichen Verlauf“, welcher in Kooperation mit dem Landschaftspflegeverband Main-Kinzig-Kreis durchgeführt wird. Bei diesem Lehrgang werden die Teilnehmenden zu hessischen Streuobstwiesenbotschafterinnen und -botschaftern ausgebildet. Im Vordergrund stehen hierbei die Zusammenhänge von Ökologie, Artenvielfalt und Nutzungsmöglichkeiten von Streuobstwiesen. Außerdem lernen die Teilnehmenden, wie sie ihr Wissen über Streuobstwiesen im pädagogischen Alltag verschiedenen Zielgruppen, von Kindern bis hin zu Erwachsenen, näherbringen können, um für diesen ganz besonderen Lebensraum zu sensibilisieren.

„Mit unserem Fortbildungsangebot möchten wir dazu beitragen, dass das Wissen über unsere hessischen Streuobstwiesen nicht verloren geht und weitergetragen wird. Wir möchten die Menschen für diese wertvollen Biotope begeistern und dazu motivieren, selbst in der Streuobstpflege oder in der Wissensvermittlung aktiv zu werden“, erläutert Dr. Christine Thorn, Leiterin der Naturschutzakademie Hessen, „die Nachfrage für beide Zertifikatlehrgänge ist hoch und lässt vermuten, dass das zeitweise abgeebbte Interesse an Streuobstwiesen wieder an neuem Aufschwung gewinnt.“

Für alle Streuobstwieseninteressierten ein Veranstaltungstipp: Am 10. Oktober 2025 findet in der NAH der Hessische Obstwiesentag 2025 statt. Veranstaltet wird die Tagung vom Hessischen Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, Weinbau, Forsten, Jagd und Heimat in Kooperation mit dem Streuobstwiesenzentrum Hessen, dem HLNUG, dem deutschen Verband für Landschaftspflege, dem Landesverband Hessen für Obstbau, Garten und Landschaftspflege sowie dem Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen.

Informationen zu den beiden Zertifikatslehrgängen und weiteren Veranstaltungen der Naturschutzakademie Hessen: www.hlnug.de/veranstaltungen

Hintergrund Streuobstwiesen

Früher waren Streuobstbestände an Ortsrändern sowie entlang von Rainen und an Hängen weit verbreitet. Im 19. Jahrhundert hatten Obstbaukunde und die Verbreitung der Obstbaumgürtel rund um die Ortslagen und auch bandartig entlang von Wegen und Straßen ihren Höhepunkt. Das Obst diente je nach Sorte zur Selbstversorgung der Besitzer, wurde zu Saft gepresst und zu Apfelwein gekeltert oder auch als Tafelobst vermarktet.

Der Unterwuchs wurde in der Regel als Wiese genutzt, wird heute aber auch häufig beweidet. Daneben kommen weitere „Unternutzungen“ wie Acker oder Scherrasen vor. Die Anzahl der hochstämmigen Obstbäume in Hessen ist insbesondere in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts drastisch reduziert worden. Der Rückgang des Biotoptyps hält insbesondere durch Siedlungserweiterungen an den Ortsrändern weiter an, aber auch der Zusammenbruch von Beständen infolge Überalterung oder die Verbrachung schreiten fort: Etwa die Hälfte der hessischen Streuobstbestände ist ungepflegt (HB 1992–2006). Die Pflege der Obstbäume und regelmäßiges Nachpflanzen von hochstämmigen Bäumen möglichst regionaltypischer Obstsorten ist für die Erhaltung des Kulturbiotoptyps Streuobstwiese aber unabdingbar. Weitere gravierende Beeinträchtigungen sind die Umnutzung zu Freizeitgärten, das Nachpflanzen von schwachwüchsigen, niedrigstämmigen Obstgehölzen und (Pferde-)Beweidung ohne Schutz der Obstbaumstämme.

Die zahlreichsten und größten Streuobstbiotope in Hessen liegen in den klimatisch begünstigten Regionen wie im südlichen Taunusvorland, in der Wetterau, im westlichen unteren Vogelsberg, an der Bergstraße und im vorderen Odenwald sowie bei Witzenhausen und Bad Sooden-Allendorf im Werratal. In den Höhenlagen der Mittelgebirge sind größere Streuobstflächen seltener.

Das Biotop „Streuobstwiese“ ist nach § 30 des Bundesnaturschutzgesetztes (BNatSchG, Stand 20.07.2022) gesetzlich geschützt. Zerstörungen oder sonstige erhebliche Beeinträchtigungen dieser Biotope sind verboten. Beeinträchtigungen können nur ausnahmsweise auf Antrag zugelassen werden, wenn es möglich ist, sie auszugleichen. Es gibt außerdem Ausnahmen, z. B. bei einer Unterbrechung und Wiederaufnahme einer landwirtschaftlichen Nutzung oder der genehmigten Gewinnung von Bodenschätzen, wenn sich zwischenzeitlich ein gesetzlich geschütztes Biotop entwickelt hat.

Kontakt

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie
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0611 6939 307 
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