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Falscher Schulzweig? Wahrgenommene Bildungsungerechtigkeit bei Jugendlichen mit Migrationsgeschichte, PI Nr. 121/2025

Falscher Schulzweig? Wahrgenommene Bildungsungerechtigkeit bei Jugendlichen mit Migrationsgeschichte, PI Nr. 121/2025
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Falscher Schulzweig? Wahrgenommene Bildungsungerechtigkeit bei Jugendlichen mit Migrationsgeschichte

Jugendliche mit Migrationsgeschichte haben häufig die Wahrnehmung, auf einem zu niedrigen Schulzweig eingestuft zu sein. In einem neuen Policy Paper des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ zeigen die Autor*innen auf, dass vor allem Informationslücken, Schulstigmatisierung und hohe Erwartungen der Eltern hinter dieser Wahrnehmung stehen. Die Empfehlungen: mehrsprachige Beratungsangebote und mehr Transparenz, um fairere Chancen und realistische Bildungswege zu ermöglichen.

Ein wichtiger Moment für viele Familien ist die Entscheidung, auf welche weiterführende Schule Kinder nach der Grundschule gehen. Diese Schulart entscheidet häufig über spätere Qualifikationen, Anschlussmöglichkeiten und Berufsbiografien. Zugleich bestehen deutliche Unterschiede darin, wie Schüler*innen diesen Übergang bewerten. Besonders Jugendliche mit Migrationsgeschichte nehmen ihre Einstufung häufig als zu niedrig wahr – auch unabhängig von ihren tatsächlichen Leistungen. Das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, kann wiederum die Lern- und Leistungsmotivation negativ beeinflussen und dadurch soziale Ungleichheiten verstärken. Das zeigt ein neues Policy Paper des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz.

Basierend auf einer Umfrage mit über 3.000 Schüler*innen aus drei deutschen Bundesländern wird deutlich: Knapp 25 Prozent der Befragten mit Migrationsgeschichte sind der Ansicht, eigentlich auf einen höheren Schulzweig zu gehören, während das unter Jugendlichen ohne Migrationsgeschichte nur jede*r Zehnte so sieht. Claudia Diehl, Professorin für Mikrosoziologie an der Universität Konstanz und Co-Sprecherin des Exzellenzclusters, erläutert: „Wir sehen, dass das Gefühl auf einen höheren Schulzweig zu gehören, unter Jugendlichen mit Migrationsgeschichte selbst bei denjenigen ausgeprägt ist, deren eigene schulische Leistungen eher durchschnittlich ausfallen.“

Besonders ausgeprägt sind Unfairnesswahrnehmungen an Hauptschulen – einer stigmatisierten Schulform: „Das Gefühl, unfairerweise auf einem zu niedrigen Schulzweig gelandet zu sein, ist gerade unter Hauptschüler*innen verbreitet. Dort sind schulische Frustrationen und der Eindruck vorherrschend, vom Bildungserfolg dauerhaft ausgeschlossen zu sein“, so Katja Pomianowicz, Postdoktorandin am Exzellenzcluster und Ko-Autorin des Papers. Jugendliche mit Migrationsgeschichte sind von dieser Dynamik besonders betroffen, weil sie überproportional häufig eine Hauptschule besuchen. Aber auch vergleichsweise höhere Bildungserwartungen zugewanderter Eltern prägen die Wahrnehmungen ihrer Kinder. Wenn der schulische Erfolg hinter den familiären Erwartungen zurückbleibt, wird ein ausbleibender Aufstieg häufiger als ungerecht wahrgenommen. Thomas Hinz, Professor für Empirische Umfrageforschung und Mitglied des Exzellenzclusters, ergänzt: „Wenn Schüler*innen überzeugt sind, ungerecht behandelt worden zu sein, kann dies ihre Lern- und Leistungsbereitschaft beeinträchtigen. Wer das Gefühl hat, trotz eigener Bemühungen keine fairen Chancen zu erhalten, investiert häufig weniger in schulische Aufgaben, verliert Vertrauen in schulische Entscheidungen und sieht weniger Perspektiven für den eigenen Bildungsaufstieg“.

Aus den Ergebnissen leiten die Forschenden klare Handlungsempfehlungen für Schule und Bildungspolitik ab. Um Jugendliche mit und ohne Migrationsgeschichte sowie deren Eltern besser zu unterstützen, müsse bereits in der Grundschule offen kommuniziert werden, welche Kompetenzen für den Übergang auf das Gymnasium ausschlaggebend sind. Mehrsprachige Informationsmaterialien, transparente Erläuterungen von Übergangsempfehlungen und verpflichtende Beratungsgespräche zwischen Grund- und weiterführenden Schulen könnten dazu beitragen, realistische und zugleich ambitionierte Bildungswege zu eröffnen – selbst dann, wenn der direkte Übergang aufs Gymnasium zunächst nicht gelingt.

Faktenübersicht:

  • Originalpublikation: Diehl, C., Pomianowicz, K., Hinz, T. (2025): Falscher Schulzweig? Wahrgenommene Bildungsungerechtigkeit bei Jugendlichen mit Migrationsgeschichte. Policy Paper Series Nr. 21, Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“.
  • Datengrundlage: Das Policy Paper basiert auf Daten des Projekts „Student’s Perception of Inequality and Fairness (PerFair)“, in dessen Rahmen rund 3.000 Siebtklässler*innen aus drei Bundesländern befragt wurden. Das Projekt untersucht, wie Kinder und Jugendliche soziale Ungleichheit und Fairness in Schule und Gesellschaft wahrnehmen – und welche Folgen diese Wahrnehmungen für Bildungschancen, politische Einstellungen und Engagement haben.
  • Autor*innen:
    1. Claudia Diehl ist Professorin für Mikrosoziologie und Co-Sprecherin des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz.
    2. Katja Pomianowicz ist Postdoktorandin am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Clusterprojekts „Student’s Perception of Inequality and Fairness (PerFair)“.
    3. Thomas Hinz ist Professor für Empirische Umfrageforschung an der Universität Konstanz und Principal Investigator am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“.
  • Der Exzellenzcluster „ The Politics of Inequality” an der Universität Konstanz erforscht aus interdisziplinärer Perspektive die politischen Ursachen und Folgen von Ungleichheit. Die Forschung widmet sich einigen der drängendsten Themen unserer Zeit: Zugang zu und Verteilung von (ökonomischen) Ressourcen, der weltweite Aufstieg von Populist*innen, Klimawandel und ungerecht verteilte Bildungschancen.

Hinweis an die Redaktion:

Bildmaterial kann im Folgenden heruntergeladen werden

  • Claudia Diehl: LINK Bildunterschrift: Claudia Diehl, Professorin für Mikrosoziologie und Co-Sprecherin des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz. Copyright: privat
  • Katja Pomianowicz: LINK Bildunterschrift: Katja Pomianowicz, Postdoktorandin am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz. Copyright: Ines Janas.
  • Thomas Hinz: LINK Bildunterschrift: Thomas Hinz, Professor für Empirische Umfrageforschung an der Universität Konstanz und PI des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“. Copyright: Inka Reiter.
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