Tabak auf dem Schulweg: Studie zeigt Handlungsbedarf
Tabak auf dem Schulweg: Studie zeigt Handlungsbedarf
Zum Weltnichtrauchertag am 31. Mai
Eine aktuelle Studie der Universität Bremen zeigt, dass Bremer Schüler:innen auf ihrem Schulweg regelmäßig mit Tabakverkaufsstellen und damit auch mit Tabakwerbung konfrontiert werden. Die Ergebnisse der Untersuchung verdeutlichen Handlungsbedarf beim Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Tabakmarketing.
In ihrer Studie haben die Bremer Forschenden erstmals für eine gesamte deutsche Stadt systematisch untersucht, wie viele Tabakverkaufsstellen sich im unmittelbaren Umfeld von Schulen befinden. Das ist für die Rauchprävention auch deshalb relevant, da an und in Verkaufsstellen nach wie vor für Tabakprodukte geworben werden kann. Die Anzahl der Verkaufsstellen kann daher Auskunft darüber geben, wie stark Kinder und Jugendliche der Werbung ausgesetzt sind. In der Untersuchung wurden die geografischen Koordinaten aller Grund- und weiterführenden Schulen in Bremen mit denen aller Tabakverkaufsstellen (Kioske, Tabakläden, Zigarettenautomaten und Supermärkte) in Beziehung gesetzt. Zum Vergleich wurden dieselben Analysen für Hamburg durchgeführt.
Ergebnisse zeigen hohe Dichte an Tabakverkaufsstellen
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass jede Schule in Bremen im Durchschnitt 7,46 Tabakverkaufsstellen in Schulweg-Entfernung (500 Meter) und 1,27 Verkaufsstellen in der Entfernung, die man während einer Pause zurücklegen kann (200 Meter) hat.
Die Zahlen variieren je nach Standort stark: Während manche Grundschulen von bis zu 32 Verkaufsstellen in Schulwegentfernung umgeben sind, gibt es auch andere Schulen, die keine Verkaufsstellen in Schulwegentfernung aufweisen. Insgesamt wurden in Bremen 992 Verkaufsstellen für Tabakprodukte identifiziert, darunter 264 Zigarettenautomaten, 169 Kioske, 55 Tabakläden und 129 Supermärkte. An jeder dieser Verkaufsstellen, außer an Zigarettenautomaten, darf legal für Tabakprodukte geworben werden. Professor Benjamin Schüz von der Universität Bremen, Leiter der Studie, betont: „Tabakwerbung und leicht verfügbare Tabakprodukte im Alltag junger Menschen tragen entscheidend dazu bei, dass Rauchen als normal empfunden wird.“
Tabakwerbung normalisiert Rauchen bei Jugendlichen
Der aktuelle Forschungsstand legt nahe, dass Tabakwerbung und die gemeinsame Platzierung von Tabakprodukten mit anderen Alltagswaren, wie etwa Süßigkeiten an Kassen, das Rauchen für Kinder und Jugendliche normalisiert – selbst wenn der Verkauf gesetzlich eingeschränkt ist. Die Bremer Untersuchung füllt eine wichtige Forschungslücke, da erstmals für eine gesamte deutsche Stadt Daten zu Tabakverkaufsstellen im Schulumfeld vorliegen. Die Ergebnisse können als Grundlage für weitergehende Präventionsmaßnahmen dienen.
Deutschland bei Tabakprävention im europäischen Vergleich rückständig
Das ist wichtig, denn Deutschland gehört zu den Ländern in Europa mit überdurchschnittlich hohem Raucheranteil – sowohl bei Erwachsenen als auch bei jungen Menschen. Aktuelle europäische Vergleichsdaten von 2020 zeigen, dass in Europa nur in Ungarn (28,6 Prozent) mehr junge Menschen im Alter von 15-19 Jahren rauchen als in Deutschland (20,6 Prozent).
Besonders kritisch ist die Situation im Bundesland Bremen, wo nach Daten des Mikrozensus 2021 auch mehr Erwachsene (20,7 Prozent) rauchen als im Bundesdurchschnitt (18,9 Prozent). Nur in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern liegt der Anteil noch höher. „Diese Zahlen zeigen, dass wir immer noch mehr gegen das Rauchen, das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko überhaupt, unternehmen können“, betont Professor Benjamin Schüz.
Offizielle Daten zu Tabakverkaufsstellen gibt es nicht
Ein Nebenbefund der Studie betrifft die Datenlage: Die Forschenden mussten die Geo-Koordinaten und Adressen der Tabakverkaufsstellen aus Online-Kartendiensten (Google Maps) extrahieren, da weder die für Handel oder Gesundheit zuständigen Behörden oder Zolldirektionen die Standorte von Zigarettenautomaten oder Geschäften, die Tabakprodukte verkaufen zur Verfügung stellen konnten – entweder aus Datenschutzgründen oder weil schlicht keine systematische Erfassung solcher Verkaufsstellen existiert, übrigens nicht nur in Bremen. Auch die einschlägigen Handelsverbände waren nicht bereit, Auskunft zu geben. „Das unterstreicht ein grundlegendes Problem in der Forschung zu legalen Suchtmitteln: Wir haben kaum gut dokumentierte Daten über Verkaufsstellen in Deutschland, weder für Tabak noch für Alkohol”, hebt Professor Schüz hervor.
Forschende fordern konsequenteren Gesundheitsschutz
Die Forschenden fordern, dass auch in Deutschland endlich wirksame Tabakkontrollmaßnahmen umgesetzt werden. Dazu gehören etwa die Beschränkung der Verfügbarkeit von Tabakprodukten nach niederländischem Vorbild: Dort werden Zigaretten nicht in Supermärkten verlauft; ab 2030 ist der Verkauf nur noch in Fachgeschäften erlaubt.
Weitere Maßnahmen wären: Bessere Daten zu Tabakkonsum und -verkauf, konsequente Regulierung der Produktplatzierung auch von E-Zigaretten in Geschäften und ein konsequentes Werbeverbot auch in Verkaufsstellen - vor allem, wenn diese auch von Kindern und Jugendlichen aufgesucht werden können. Auch die Abschaffung von Zigarettenautomaten und die Schaffung von mehr rauchfreien Zonen auch im Außenbereich wären nach Ansicht der Bremer Wissenschaftler:innen hilfreiche Maßnahmen, um zu verhindern, dass das Rauchen als normal betrachtet wird. Kinder und Jugendliche könnten damit besser vor dem Rauchen geschützt werden. „Bremen könnte bei vielen dieser Maßnahmen Vorreiter werden“, ist Professor Schüz überzeugt, „und so von einem der Länder mit der höchsten Raucher:innen-quoten zu einem Vorbild für andere werden.“
An der Studie mitgewirkt haben:
Nourat Noemi Alazza, Marie Horn, Benjamin Schüz (Institut für Public Health und Pflegeforschung, Universität Bremen)
Annika Nolte, Susanne de Vogel (Data Science Center, Universität Bremen)
Weitere Informationen:
Fragen beantwortet:
Prof. Dr. Benjamin Schüz
Universität Bremen
Fachbereich Human- und Gesundheitswissenschaften
Institut für Public Health und Pflegeforschung
Prävention und Gesundheitsförderung
Telefon: +49 421 218 68833
E-Mail: benjamin.schuez@uni-bremen.de
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