Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu RAF

29.08.2007 – 19:44

Bielefeld (ots)

Vor 30 Jahren erlebte Deutschland einen
mörderischen Sommer, von April bis Oktober fanden zehn der insgesamt 
34 politischen Morde der Rote Armee Fraktion (RAF) statt. Die 
Verunsicherung von damals ist vorüber. Vieles, wenn auch längst nicht
alles, ist geklärt. Und dennoch dürften die meisten Rückschauen in 
den kommenden Wochen eine falsche, zumindest unzureichende 
Überschrift tragen: »Deutscher Herbst«.
Von den Todesschüssen auf Siegfried Buback und der »klammheimlichen 
Freude« eines Göttinger Studenten im April 1977 bis zu den 
Selbstmorden der ersten RAF-Generation zeitgleich mit der 
Liquidierung Hanns-Martin Schleyers im Herbst spannt sich der Bogen. 
Auf Schockwellen reinen Erschreckens folgte eine deutsche Debatte, 
die bis heute Peinlichkeiten bereithält. Nicht jeder noch politisch 
Aktive wird sich gern daran erinnern.
 Zwar identifizierte sich damals niemand in der politischen Klasse 
voll und ganz mit den Zielen der RAF, aber viele ließen auch eine 
100-prozentige Gegnerschaft zu den Motiven der RAF vermissen. Diese 
Haltung zog sich von Linksaußen bis weit in die Mitte der 
bürgerlichen Gesellschaft. So eindeutig wie heute etwa der Terror vom
11. September 2001 abgelehnt wird, war die gängige Haltung damals 
nicht.
Daran gilt es zu erinnern, wenn der »deutsche Herbst« und die 
»bleierne Zeit« bemüht werden. Beide Begriffe standen nicht in 
Opposition zum Terror, sondern auch für das angebliche Welken von 
Rechtsstaatlichkeit und das behauptete Entstehen eines neuen 
Polizeistaates.
Es ist gut, dass die Ereignisse von damals wieder in Erinnerung 
gerufen werden. Zu viel ist vergessen. Die jüngst gemeldeten und von 
uns allen als Neuigkeit verstandenen Anschlagsplanungen gegen Willy 
Brandt waren 1984 Bestandteil der mündlichen Verhandlung gegen die 
Terroristen Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt, also nichts Neues.
Auch die Ausspähung der Privathäuser des damaligen Außenministers 
Hans-Dietrich Genscher und von Mercedes-Chef Edzard Reuter sind nicht
mehr als überlesene Fußnoten eines mordsgefährlichen Angriffs auf 
Nachkriegsdeutschland.
 Die Monate September und Oktober des Jahres 1977 waren geprägt von 
großer Terrorangst, weit überbewertetern Warnungen vor der 
»Rasterfahndung« und einer starken Ablehnung der RAF in der 
Bevölkerung. Nicht einzelne Politiker, aber ihre Gesamtheit versagte 
damals vor einer Öffentlichkeit, die nach Orientierung und nicht nach
lauer Distanz verlangte.
Weite Kreise fühlten sich vor diesem Hintergrund durch neue 
Sicherheitsgesetze in ihren Grundrechten bedroht, viele suchten sogar
die ideologische Auseinandersetzung mit der RAF. Unter den damaligen 
Bedingungen war dieses verzweifelte Streben nach der Bewältigung 
derart ungeheurer Geschehnisse zu verstehen. Um so mehr muss heute im
besser informierten Rückblick auf die Klarstellung mancher Verirrung 
von damals gedrängt werden.

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