Deutsche Umwelthilfe e.V.

Deutsche Umwelthilfe fordert "grundlegende Änderungen" am Verbraucherinformationsgesetz

29.05.2006 – 09:34

Berlin (ots)

Regierungsfraktionen dürfen sich von Minister Seehofer nicht auf 
Klientelpolitik für die Wirtschaft verpflichten lassen - DUH verweist
bei heutiger Ausschussanhörung auf offenen Widerspruch zu Aussagen im
Koalitionsvertrag und erinnert an die Grundsatzkritik der so 
genannten Oettinger-Kommission - Mehr Transparenz für Verbraucher 
auch verfassungsrechtlich geboten
Das geplante Verbraucherinformationsgesetz (VIG) verstößt auf 
eklatante Weise gegen Leitsätze der Verbraucherpolitik, die die Große
Koalition vor einem halben Jahr in ihrem Koalitionsvertrag 
festgeschrieben hatte. Darauf weist die Deutsche Umwelthilfe e. V. 
(DUH) anlässlich der Sachverständigenanhörung hin, die am heutigen 
(Montag) Nachmittag vor dem Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft 
und Verbraucherschutz des Bundestages stattfindet. In der 
Koalitionsvereinbarung hatten Union und SPD versichert, 
Verbraucherpolitik müsse "ein Gleichgewicht zwischen Verbraucher- und
Wirtschaftsinteressen suchen", Verbraucher und Wirtschaft sollten 
sich "auf gleicher Augenhöhe gegenüberstehen".
"Die Kluft zwischen Worten und Taten könnte größer kaum sein", 
sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Wir müssen befürchten,
dass das bestehende Kräfteungleichgewicht zwischen Verbraucherinnen 
und Verbrauchern auf der einen und Behörden und Unternehmen auf der 
anderen Seite jetzt noch einmal gesetzlich festgeklopft werden soll. 
Die einen bleiben in ihrer Rolle als Transparenz einfordernde 
Bittsteller gefangen, die anderen entscheiden nach Gutsherrenart, ob 
sie Offenheit praktizieren wollen oder doch lieber täuschen, tarnen 
und verschweigen". Nach Gammelfleischskandal und Druckchemie in 
Kartonsäften sei der dem Bundestag vorliegende Gesetzentwurf "das 
Gegenteil einer vertrauensbildenden Maßnahme".
Resch erinnerte daran, dass die vom Stuttgarter 
Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) berufene 
Verbraucherkommission Baden-Württemberg den vom Hause Seehofer 
erarbeiteten und von den Regierungsfraktionen eingebrachten 
VIG-Entwurf in einer einstimmig beschlossenen Stellungnahme fast 
gleich lautend kritisiert hatte wie die DUH. Das allein müsse den 
Abgeordneten von Union und SPD zu denken geben. Dies umso mehr als 
die Oettinger-Kommission auch ausdrücklich betont, dass 
Informationsungleichgewichte zwischen Anbietern und Verbrauchern zu 
überhöhten Preisen für schlechte Güter führten, während sich 
höherwertige Güter nicht zu angemessenen Preisen absetzen ließen. "Es
muss Schluss damit sein, dass sich die Koalitionsfraktionen mit 
´Formulierungshilfen´ aus dem Hause Seehofer auf eine Klientelpolitik
für die Wirtschaft verpflichten lassen", so Resch.
Für die Deutsche Umwelthilfe wird die Leiterin Verbraucherschutz 
und Recht, Cornelia Ziehm, den Gesetzentwurf bei der 
Bundestagsanhörung am Nachmittag analysieren. Im Ergebnis ist das 
geplante Gesetz nach Überzeugung der DUH "nicht geeignet, Transparenz
herzustellen und die unstreitig bestehenden strukturellen 
Informationsasymmetrien zu Lasten der Verbraucherinnen und 
Verbraucher zu beseitigen." Kritisch bewertet Ziehm insbesondere, 
dass nach dem Wortlaut des VIG-Entwurfs die Behörden nicht 
verpflichtet werden sollen, die Bevölkerung aktiv und von sich aus 
zum Beispiel über Funde belasteter Lebensmittel zu unterrichten. 
Auskunftsansprüche gegenüber privaten Unternehmen sind überhaupt 
nicht vorgesehen, obwohl gerade sie Ausdruck moderner und 
vertrauensbildender Verbraucherpolitik wären. Informationsbegehren 
gegenüber Landes- oder Bundesbehörden sollen zudem von vornherein auf
einen engen Anwendungsbereich eingeschränkt werden, nämlich auf 
Erzeugnisse im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzes 
(LFGB). Wie ein Transparenz-Verhinderungsgesetz erscheinen darüber 
hinaus die überaus weit reichenden Ausnahmetatbestände. So sollen 
etwa die Unternehmen - ohne jede inhaltliche Begründung - selbst 
bestimmen können, welche Daten unter das Betriebs- oder 
Geschäftsgeheimnis fallen und deshalb nicht zur Verfügung gestellt 
werden müssen. Dies können sie sogar noch im Nachhinein tun, also 
nachdem sie von den Behörden über einen Auskunftsantrag aus der 
Bevölkerung unterrichtet wurden. Außerdem werden darüber hinaus 
"sonstige wettbewerbsrelevante Informationen, die in ihrer Bedeutung 
für den Betrieb mit einem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis 
vergleichbar sind", von der Bekanntgabepflicht befreit. Damit gehen 
die Ausnahmetatbestände weit über diejenigen hinaus, die andere 
Informationsgesetze, wie beispielsweise das Umweltinformationsgesetz,
zum berechtigten Schutz privater Unternehmen vorsehen. 
"Verfassungsrechtlich geboten ist das keineswegs. Im Gegenteil, auch 
das Bundesverfassungsgericht betont die Sicherung der Transparenz und
des Informationszugangs im Rahmen der grundrechtlichen 
Schutzpflichten des Staates", so Ziehm.
Am Beispiel der Kontamination von Kartonsäften mit der 
Druckchemikalie ITX zeigt Ziehm konkret auf, dass das jetzt von Horst
Seehofer und der Großen Koalition geplante VIG an der 
Informationsblockade der vergangenen Monate nichts ändern würde.
Die DUH schlägt daher grundlegende Korrekturen an dem geplanten 
Entwurf vor. So müsse den Bürgerinnen und Bürgern, mindestens aber 
Verbraucherorganisationen ein gesetzlicher Informationsanspruch auch 
gegenüber privaten Unternehmen eingeräumt und der Anwendungsbereich 
des Gesetzes auf Produkte jenseits des Lebensmittelbereichs und auf 
Dienstleistungen ausgeweitet werden. Außerdem fordert die DUH eine an
entsprechende Regelungen im bestehenden Umweltinformationsgesetz 
angelehnte restriktive Definition des Betriebs- und 
Geschäftsgeheimnisses, um einem Missbrauch der geplanten offenen 
Regelung durch betroffene Unternehmen vorzubeugen.
(Die vollständige schriftliche Stellungnahme der DUH zur heutigen 
Bundestagsanhörung finden Sie im Anhang dieser Pressemitteilung).
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 
10178 Berlin; Tel.: Mobil.: 0171 3649170, Fax.: 030 258986-19, 
E-Mail:  resch@duh.de
Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Verbraucherschutz und Recht, Hackescher 
Markt 4, 10178 Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax.: 030 258986-19, 
Mobil: 0160 5337376, E-Mail:  ziehm@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4, 
10178 Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax.: 030 258986-19,
Mobil: 0171 5660577, E-Mail:  rosenkranz@duh.de

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