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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Wahlkampf

Bielefeld (ots)

Ein Hoch dem klassischen Duell. Auf eine handfeste Ehrverletzung folgte im 19. Jahrhundert der Zweikampf mit gleichen Waffen. Trotz hoher Ungenauigkeit der damaligen Pistolen kam es meist zu einem eindeutigen, in manchen Fällen zu einem todsicheren Ergebnis. Duelle der Neuzeit kennen dagegen immer nur Sieger und nie Verlierer - sofern es nach den Sekundanten geht. Geht es aber nicht: Allein das Bürgerurteil zählt. Das TV-Duell von Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück fand nicht im Morgennebel statt, sondern vor 17,63 Millionen Wählern. Zur allerbesten Sendezeit auf - gefühlt - allen TV-Kanälen und in den sozialen Netzwerken kreuzten die zwei die Klingen. Ein Erfolg für die Demokratie, und trotz mancher Unzulänglichkeit für viele der entscheidende Anstoß, sich an dieser Bundestagswahl zu beteiligen. Ein seit Wochen wabernder Themenmix hat unverhofft Zutaten bekommen, die in den knapp drei Wochen bis zur Bundestagswahl noch überkochen können. Die plötzlich aufgeworfene Mautfrage, in der CDU und CSU überkreuz liegen, ist für Angela Merkel gefährlich. Hier droht wegen der vorherigen Bayernwahl »Crazy« Horst Seehofer aus dem Ruder zu laufen. Und Steinbrücks unvollendeter Satz über Beamtenpensionen, die man sich anschauen müsse, dürfte sich als nächste Punktlandung im Fettnäpfen erweisen. Hier ist der Profi in eine selbst gestellte Falle getappst, die ihn mindestens einige zehntausend Stimmen gekostet haben dürfte. Merkel anfangs leicht nervös, eine Bundeskanzlerin, die auch nur mit Wasser kocht, und eine Regierungschefin, die zum NSA-Skandal nichts zu sagen hat: Das waren die schwächsten Punkte auf Seiten der CDU-Chefin. Nicht gut für eine Partei, die nach Ansicht von Wahlforschern das für sie erreichbare Wählerpotential zu 95 Prozent »ausmobilisiert« hat. Will sagen: Die in Umfragen erreichten gut 40 Prozent sind nicht mehr steigerbar. Sie müssen bis zur Wahl gehalten werden. Eine Zitterpartie. Steinbrück, bislang Zweitplatzierter, konnte seine Präsenz erhöhen - enorm wertvoll für ihn. Selbst Merkel sprach seinen Namen aus. Das war seit Wochen nicht mehr öffentlich zu hören. Und der SPD-Kandidat ließ aufblitzen, was er drauf hat. Der stark im Zaum gehaltene Dampfredner brannte eine Feuerwerk in Maßen ab und redete hin und wieder tatsächlich Klartext. Wer-Peer? wird Der-Peer! Wenn es denn richtig ist, dass Stefan Raab mehr Nichtwähler und Unentschlossne als üblich vor den Bildschirm lockte, dann hat dieses Publikum am Sonntagabend Neuland entdeckt. Steinbrück war zwar nicht ganz so tolldreist wie Raab selbst, aber näher bei den Politikfernen als die auf Gipfeln wandelnde Merkel. Die Kanzlerin muss im Schlussspurt noch einmal um die greifbar nahe Mehrheit für Schwarz-Gelb bangen. Das müsste sie genau so alarmieren wie ihre Anhänger.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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