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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur SPD-Kanzlerkandidatur

Bielefeld (ots)

Ein ganzes Jahr will die SPD noch warten, bis sie ihren Kanzlerkandidaten kürt. Heißt es. Offiziell. Und natürlich nur für den Fall, dass die nächste Bundestagswahl ganz turnusgemäß erst im September 2013 stattfindet. Diese selbstverordnete Zurückhaltung in der K-Frage klingt vernünftig, denn ein Vorlauf von knapp neun Monaten ist allemal lang genug. Eine andere Frage ist, ob die Sozialdemokraten dieser Geduldsprobe gewachsen sind. Die K-Frage ist ein Stresstest für die SPD und ihre Kanzlerkandidatenkandidaten. Was letztere betrifft, sieht sich SPD-Chef Sigmar Gabriel noch lange nicht aus dem Rennen. Mögen auch Frank-Walter Steinmeier höhere Sympathiewerte in der Partei und Peer Steinbrück höhere Erfolgschancen in der Bevölkerung eingeräumt werden - Gabriel nutzt sein Amt sehr geschickt, um sich selbst in Stellung zu bringen. Die Spekulation um die Entmachtung von Generalsekretärin Andrea Nahles passt da prima ins Bild. Gabriels Dementi kam zwar prompt und fiel gewohnt kraftvoll aus. Doch warum bitte sollte Andrea Nahles sagen, über die Wahlkampfleitung sei noch keine Entscheidung gefallen, wenn das ganz unbestritten ihr Job wäre. Der SPD-Chef bastelt am Selbstbild des starken Mannes, von dem alle Kraft ausgeht. Dazu gehört auch, dass er sich das Thema der sozialen Gerechtigkeit vorbehält, das wie kein zweites die sozialdemokratische Seele berührt. Fügt man schließlich den Linksruck der SPD auf dem Berliner Parteitag mit Gabriels Ansage zusammen, dass er für 2013 einen Lagerwahlkampf anstrebt, komplettiert sich das Bild. Zu all diesen Anforderungen würde ein Kanzlerkandidat Sigmar Gabriel sicher besser passen als ein Frank-Walter Steinmeier und erst recht als ein Peer Steinbrück. Doch der SPD-Chef ist schlau genug, das so nicht zu sagen. Denn je länger ein Kandidat nur Kandidat ist, desto größer ist die Gefahr, dass er sich als Kandidat diskreditiert. Peer Steinbrück weiß ein Lied davon zu singen. Er dürfte seinen Frühstart schon mehr als einmal bereut haben - und zwar nicht nur wegen eines verdrehten Schachbretts. Da half ihm nicht einmal mehr die politische Seligsprechung durch SPD-Übervater Helmut Schmidt, der sich überdies auch noch als Schutzpatron für das freche Vorpreschen verdingen ließ. Gabriel dürfte Steinbrücks Bauchlandung amüsiert haben. Vor allem aber hat der SPD-Chef seine Lehren daraus gezogen. Also lotet er hinter den Kulissen seine Möglichkeiten aus und hält auf der großen Bühne weiter alles offen. Der Blick bleibt auf die Konkurrenz gerichtet, auch auf neue. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft könnte so eine Konkurrentin werden, auch wenn ihr größter Erfolg bisher darin besteht, mit ihrer Minderheitsregierung noch immer an der Macht zu sein. Der SPD-Chef wird den indirekten Personalvorschlag, der von seiner Stellvertreterin Aydan Özoguz stammt, genau registriert haben. Sagen muss er vorerst nichts dazu. Er hat ja noch Zeit, vielleicht sogar ein ganzes Jahr.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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