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Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:

Bielefeld (ots)

Machtpolitik des 19. Jahrhunderts am Kaukasus,
kalter Krieg im Weltsicherheitsrat, angstvolles Durchzählen 
russischer Pässe bis ins Baltikum: Wer hätte gedacht, dass überwunden
geglaubte Zustände binnen kurzem wieder an der Tagesordnung sind?
Dimitri Medwedew, der im Kreml, wenn überhaupt etwas, dann die Rolle 
des God Guy übernommen hat, verfügte gestern den Stopp der russischen
Armee - 90 Kilometer vor der schutzlosen georgischen Hauptstadt 
Tiflis. Unterdessen hat sein vermeintlicher Ministerpräsident 
Wladimir Putin den Westen ausmanövriert und imperiales Verhalten der 
unseligsten Art demonstriert.
Keine Frage, Georgiens Staatspräsident Michail Saakaschwili hat sich 
schwer verkalkuliert und Schuld auf sich geladen. Er unterschätzte 
die Entschlossenheit Russlands, ordnete einen selbstmörderischen 
Angriff auf das abtrünnige Südossetien an und vergaß dabei, den 
einzigen Nachschubtunnel nach Nordossetien als erstes blockieren zu 
lassen.
 Jetzt steht der keinesfalls lupenreine Demokrat und engste Freund 
des Westens mit leeren Händen da. Er hat zwei Provinzen auf immer 
verloren, ganz gewiss die Nato-Beitrittsperspektive und 
wahrscheinlich auch sein Amt. Russlands Außenminister Sergej Lawrow 
ließ schon mal verlauten, es wäre besser, wenn »Herr Saakaschwili 
nicht unser Verhandlungspartner sein kann«. Will sagen: Rest-Georgien
soll sich gefälligst eine Moskau-genehmere Regierung geben.
 George W. Bush ist hilflos. Zbigniew Brezinki, der 
Sicherheitsberater des früheren US-Präsidenten Jimmy Carter 
(1977-1981), fand dagegen um so klarere Worte: Putin habe Russland 
einen Kurs einschlagen lassen, der dem von Stalin und Hitler in den 
30er Jahren sehr ähnlich sei. Das sagte der einstige »Falke« aus dem 
Weißen Haus, der das seltene Kunststück vollbrachte, keinen Krieg im 
Namen der USA führen zu müssen. Brzezinski stimmt dabei Schwedens 
Außenminister Carl Bildt ausdrücklich zu, der diesen weit greifenden 
Vergleich zog: Putins Rechtfertigung des Aufsplitterns Georgiens 
wegen der hohen Zahl von Bürgern mit russischen Pässen erinnere sehr 
an Adolf Hitlers Taktik zur »Befreiung« der Sudentendeutschen in der 
damaligen Tschechoslowakei. Ob auch noch der nächste Schritt, damals 
von den Nazis »Zerschlagung der Rest-Tschechei« genannt, folgt, ist 
zur Stunde nicht absehbar.
Russlands Truppen haben Anweisung stehen zu bleiben, nicht 
zurückzuweichen und in ihrem Rückraum jeden Mucks mit aller Härte zu 
beantworten. Mehr Drohpolitik gegenüber einem souveränen Nachbarstaat
hat es seit dem Einmarsch der Sowjetunion Weihnachten 1979 in 
Afghanistan nicht mehr gegeben.
Die Gebärde reicht - alle haben verstanden. Nackte Angst geht um in 
Kiew, aber auch in Vilnius, Riga und Tallinn. Von dort schauen die 
Menschen hilfesuchend nach Brüssel zur Nato.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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