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Die Wende?
Kommentar von Jens Kleindienst zum Krieg in der Ukraine

Mainz (ots)

Verlautbarungen von Kriegsparteien zum Kampfgeschehen sind stets mit Vorsicht zu genießen. Doch spricht viel dafür, dass der ukrainischen Armee ein strategischer Sieg gelungen ist, der zum Wendepunkt in diesem Krieg werden könnte. Erstmals seit Monaten hat die russische Armee in größerem Umfang besetzte Gebiete geräumt. Der erzwungene Rückzug aus Teilen der Region Charkiw im Nordosten ist nicht zu vergleichen mit der Entscheidung im Frühjahr, nach dem gescheiterten Sturm auf Kiew einige Gebiete nördlich der ukrainischen Hauptstadt preiszugeben. Jetzt stehen für Moskau die eminent wichtigen Versorgungslinien in den Donbass und in den Süden im Feuer. Gelingt es der ukrainischen Armee, ihre Erfolge abzusichern oder gar auszubauen, dürften die Invasoren auch im Süden und vielleicht sogar im Donbass stark unter Druck geraten. Möglich wurde dieser Sieg durch den Mut der ukrainischen Soldaten, das Geschick ihrer militärischen Führung - und durch Waffen des Westens. Damit aber rückt in Deutschland die Frage weiterer militärischer Unterstützung erneut auf die Tagesordnung. Plötzlich erscheint es realistisch, dass die Ukraine die von Russland geraubten Gebiete zurückerobert. Bisher glaubten daran nur wenige Optimisten. Die Bundesregierung beschränkte sich auf die Lieferung von Waffen, die dabei helfen sollten, den Vormarsch der russischen Armee irgendwie zu stoppen. Der Ukraine war das schon immer zu wenig - verständlich, aber nicht entscheidend für die schwierige Abwägung in Berlin. Nun ertönt der Ruf aus Kiew umso lauter, speziell nach dem deutschen Kampfpanzer Leopard 2. Und er kann nicht mehr ignoriert werden. Die Ukrainer haben das Momentum des Krieges auf ihrer Seite. Vielleicht besteht wirklich die Chance, das Blatt in diesem Krieg zu wenden und dem Aggressor im Kreml die verdiente Niederlage beizubringen. Soll dieses Momentum durch das Zögern und Zaudern Deutschlands verpuffen? Die Bundesregierung wird nun schnell entscheiden müssen, ob sie den Weg einer weiteren Eskalation mitgeht. Denn darum würde es sich handeln. Liefert Deutschland Kampfpanzer an die Ukraine, werden wir noch mehr zur Kriegspartei. Das sollten all jene bedenken, denen es jetzt wieder nicht schnell genug gehen kann. Der von Bundeskanzler Olaf Scholz stets wiederholte Hinweis, man werde nur in enger Abstimmung mit den Bündnispartnern handeln, war und bleibt richtig. Er wird es dieser Bundesregierung jedoch nicht ersparen, schon bald eine Entscheidung von großer Tragweite zu treffen.

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