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Neue Westfälische (Bielefeld): Pegida und die Flüchtlinge Es geht um Deutschland CARSTEN HEIL

Bielefeld (ots)

Wo ist Friedrich Schiller? Das sogenannte Volk der Dichter und Denker scheint einmal mehr die grandiosen Aspekte seiner Vergangenheit zu verdrängen. Der Sturm und Drang, die Frage der Veredelung des Menschen durch Bildung, durch Informationen also und Wissen, das Aufbrechen der Gesellschaft aus adeliger Selbstgefälligkeit und aus kleinbürgerlichen Ängsten - dafür stehen Schiller und andere deutsche Geistesgrößen. Wo ist dieses Bewusstsein geblieben? Wo ist das deutsche Bürgertum im Streit um den Umgang mit den Flüchtlingen und vor allem in der Debatte um die Zukunft des Landes? Denn um diese Debatte geht es. Was unternehmen aufgeklärte Bürger zum Schutze der Gesellschaft in Deutschland? Wenig. Die Mittelschicht diskutiert nur im eigenen Wohnzimmer. Sie alle überlassen die Bühne den lauten, von wenig Information gekennzeichneten Schreiern von Pegida und anderen. Leserbriefe, die diese Redaktion erreichen, sind zwar differenzierter, aber auch mehr von Ablehnung alles Neuen geprägt als von Gedanken darüber, dass jede Situation Chancen bietet. Das ist kein naiver Zuruf an die Flüchtlinge: Kommt alle her. Es ist die Frage danach, wie dieses wunderbare Land in Zukunft sein will, egal ob mit oder ohne Menschen aus anderen Ländern. Und es ist die Frage danach, wer den Diskussionsprozess bestimmt. In Dresden, wo die Parolen von Pegida besonders verfangen, sitzt das Bürgertum kommod in den Elbvororten und blickt von seinen Hängen auf den ruhig dahinströmenden Fluss. Keine Debatte, keine nennenswerte Gegendemos als ginge sie das rechte Treiben unten in der Stadt nichts an. Will die gut situierte Mitte der Gesellschaft wirklich, den Ressentiments, den Vereinfachern und Hetzern die Debatte überlassen? Denen geht es gar nicht um die Flüchtlinge, nicht um die berechtigten Sorgen der Menschen, wie das alles zu schaffen ist. Sie missbrauchen die Flüchtlinge nur als Vehikel, ihren grundsätzlichen Hass auf diesen Staat, diese Gesellschaftsform und alles was anders ist rauszuschreien. Schon bevor die Menschen aus Afrika und dem Nahen Osten kamen, hatten Pegida und AfD regen Zulauf. Die angebliche Sorge vor Überfremdung ist verlogen. Vor allem in Sachsen. Aber auch in Köln gab es keine demokratische Antwort auf den Angriff gegen Bürgermeisterkandidatin Henriette Reker. Die Wahlbeteiligung blieb schwach. Und in Hagen stellt ein Staatsanwalt die Ermittlungen gegen einen Brandstifter ein, der eine Flüchtlingsunterkunft angesteckt hatte. Weil der Täter angeblich aus Sorge gehandelt hatte. Unfassbar. Es geht nicht um die Frage, wer hilft, sondern um politisches Bewusstsein, darum wie Deutschland morgen aussieht. Es geht um etwas Selbstbewusstsein und um Aufklärung für dieses Land in der Mitte Europas. Und da ist die Rückbesinnung auf Schiller und Lessing mit ihrer Freiheit des Geistes allemal besser als Pegida-Parolen.

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