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Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR EU-Gipfeltreffen Die Union lebt KNUT PRIES, BRÜSSEL

Bielefeld (ots)

Die Iren sind stolz, und das kann man verstehen. Sie haben zum Abschluss ihres Halbjahres als EU-Geschäftsführer wichtige Beschlüsse unter Dach und Fach gebracht: die Reform der Agrar- und Fischereipolitik, Spielregeln für die Rettung und Abwicklung von Banken, Vorgaben für die nächste Runde der Ost-Erweiterung und vor allem die Finanzausstattung der Union in den kommenden sieben Jahren. All das musste durch die komplizierte Meinungsbildungs- und Verabschiedungsmaschine aus 27 Regierungen, ebenso vielen Kommissaren und 754 Europaabgeordneten geschleust werden. Durchaus eine Leistung. Kein Wunder, dass neben den Steuermännern in Dublin auch die anderen Gipfelgrößen, vom breitbeinigen Parlamentschef Schulz bis zur leicht strapazierten Bundeskanzlerin Merkel, voll des Lobes sind über sich selbst. Dabei hat der Gipfel lediglich nach viel Palaver abgestempelt, was die Fachgremien zuvor ausgehandelt hatten. Aber das ist Nebensache. Hauptsache ist - wie der Öffentlichkeit jedes Mal ausführlich mitgeteilt wird - "das Signal, das von diesem Treffen ausgeht". Das Signal soll sein: Die Union lebt und ist auf dem Weg der Erholung. Manchmal braucht sie etwas länger, aber wenn es drauf ankommt, rauft sie sich zusammen und erledigt, was ansteht. Über das, was ansteht, gehen indes die Meinungen auseinander. Für die Kanzlerin steht vor allem eines an: Wiederwahl im Herbst. Bis dahin soll bloß nichts ans misstrauische Publikum gelangen, was das Bild von der eisenharten Bewahrerin deutscher Interessen trüben könnte. Zum Beispiel die Interessen der Autoindustrie - da muss dann schon mal mit hartem Muskeleinsatz der EU-Deal über die Entgiftung von Kfz-Abgasen gestoppt werden. Deutschland gibt in der EU den Ton an wie nie zuvor. Berlin definiert Tempo und Weg, auf dem Europa derzeit voranschreitet: Der Weg ist eng, das Tempo langsam. Erinnert sich noch jemand an die Pläne zum Aufbau einer tatsächlich integrierten, nicht nur zusammengeschraubten Wirtschafts- und Währungsunion? Wolfgang Schäuble erinnert sich. Der muss solche Vorstellungen in Berlin jetzt als privates Hobby verfolgen. Und bei Herman Van Rompuy hatten Merkel und Co. erst einschlägige Konzepte in Auftrag gegeben und ihm dann bedeutet: Vergiss es! Übriggeblieben ist ein Zeitplänchen. Eine historische Sekunde lang sah die Krise wie ein Treibsatz aus. Es schien, als könnte sie den Europäern Beine machen, eine Geschlossenheit zu entwickeln, mit der sie sich als demographisch abnehmende Größe international behaupten können. Seit die EZB die Geldbrause aufgedreht hat, scheint das vorbei. Die Kanzlerin hat zurückgeschaltet auf Bastelmodus, hier ein Stöckchen, da ein Schräubchen. Die Partner - soweit sie noch Freunde der europäischen Einigung und nicht wie die Briten auf EU-Rückabwicklung erpicht sind - hoffen: Nach der Bundestagswahl kommt wieder Schwung in den Betrieb. Da könnten sie sich getäuscht haben.

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