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Neue Westfälische: Merkels Europa-Visionen Blick auf die Fußspitzen KNUT PRIES, BRÜSSEL

Bielefeld (ots)

Wie sieht das aus, wenn's fertig ist? Mit dieser
Europa-Frage befasste sich 2000 in der Berliner Humboldt-Universität 
der damalige Außenminister Joschka Fischer. Er forderte, die EU zur 
einer Föderation auszubauen. Von solchen "Finalitätsdebatten" will 
Angela Merkel, die neun Jahre später vom selben Pult aus ihre 
Vorstellung von Europa erläuterte, nichts wissen. Damit werde nur das
Vertrauen der Bürger in die Union der Gegenwart untergraben. Das ist 
ganz im Sinne der herrschenden Vernunft. Der Blick schweift nicht 
mehr weit nach vorn, er ist unbeirrbar auf die eigenen Fußspitzen 
gerichtet.
Auch die Visionsverächter verlangen eine EU, die ihr Gewicht  zur 
Geltung bringt. Sie fordern ein Europa der Stärke. Fragt sich nur: Wo
kriegen wir das her? Merkels Antwort: Das kommt aus der Einigkeit 
über "die Werte".
Da wird es dünn. Die Europäer sind nicht einig. Nicht über die Regeln
für den Kapitalismus, nicht über Russland und China, nicht über die 
Energiepolitik. Und mit Berlusconis Brot-und-Spiele-Italien, 
britischen Euromuffeln und Rabiat-Liberalen im Osten ist nicht viel 
Wertegemeinschaft zu machen. Ist ja wahr: Mit Visionen lässt sich 
viel Unsinn verzapfen, sie sind kein Ersatz für konkrete Politik. 
Aber Europa krankt vor allem an der fatalen Schwäche des 
Europa-Gefühls seiner Bürger. Das ist mit dem Merkel-Mix aus 
Knäckebrot und Tischgebet nicht aufzupäppeln. Ein bisschen mehr 
Vision darf's schon sein.

Pressekontakt:

Neue Westfälische
Jörg Rinne
Telefon: 0521 555 276
joerg.rinne@neue-westfaelische.de

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