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Mittelbayerische Zeitung: Präsidialer Brückenbauer
Trotz des miserablen Auswahlverfahrens der Koalition ist Steinmeier der richtige Mann. Leitartikel von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Am Ende zählt, was hinten raus kommt, lautete ein Wahlspruch des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl. Am Ende eines miserablen Auswahlverfahrens der drei Berliner Koalitionäre ist mit Frank-Walter Steinmeier der richtige Mann für das Amt des Bundespräsidenten nominiert worden. Das quälende monatelange Hickhack um die Nachfolge von Joachim Gauck dürfte hoffentlich bald vergessen sein, wenn Steinmeier erst einmal gewählt sein wird, wenn er dem höchsten Staatsamt seine Prägung verleihen kann. Einen präsidialen Mutmacher und Brückenbauer braucht die Gesellschaft in diesen "krisenbefangenen" Zeiten, in denen das Land schier zu zerreißen droht. Die Wahl Steinmeiers zum Staatsoberhaupt wäre zudem ein Signal an die übrige, scheinbar aus den Fugen geratene Welt. Sozusagen der deutsche Gegenentwurf zu den Donald Trumps, Marine Le Pens, Viktor Orbans, Geert Wilders, die die Lösung aller Probleme in einer nationalistischen, rechtspopulistischen Kehrtwende sehen. Es geht in den kommenden Jahren um nicht weniger als darum, ob das auf Liberalität, Sozialausgleich und Demokratie fußende westliche Gesellschaftssystem weiterhin eine Chance hat oder ob es von der Herrschaft von Autokraten abgelöst wird. Es geht darum, ob nationale Interessen im friedlichen Ausgleich mit den internationalen Partnern umgesetzt werden können oder ob sich die wirtschaftlich und militärisch Stärkeren durchsetzen. Der oberste deutsche Diplomat Steinmeier weiß wie wohl kein anderer deutscher Spitzenpolitiker um die Vertracktheit der Probleme unseres Globus'. Erfolge hat er als Minister kaum vorzuweisen. Zuletzt wurde er in Ankara von seinem Amtskollegen böse vorgeführt und Deutschland als Unterstützer des Terrors kritisiert. Dennoch ist Steinmeier, dessen von den vielen Krisen gezeichnetes Gesicht allabendlich über die Bildschirme flimmert, der mit Abstand beliebteste Politiker hierzulande. Eine große Mehrheit der Deutschen nimmt ihm offenbar ab, dass er sich redlich bemüht, Konflikte diplomatisch zu lösen, wenigstens zu entschärfen. Steinmeier ist ein beharrlicher Sisyphos-Arbeiter, der - anders als die sagenhafte Gestalt - mitunter sogar Erfolg hat. Freilich wird der wahrscheinliche nächste Bundespräsident dennoch seine politische Vergangenheit nicht abstreifen können wie ein altes Hemd. Lange Zeit war er die rechte Hand von Gerhard Schröder. Steinmeier gilt als der Erfinder der Agenda 2010, die zwar viele Verkrustungen aufbrach, allerdings hier und da über das Ziel hinausschoss, neue Verwerfungen und Probleme schaffte. Steinmeier haftet der Ruf an, Mitglied der politischen Klasse, des Establishments, "der da oben" zu sein. Und das stimmt ja auch. Auf der anderen Seite ist Steinmeier kein kalter, karrieregeiler Apparatschik, dem die Sorgen und Nöte der kleinen Leute unbekannt wären. Der Mann steht vielmehr mitten im Leben. Viele zollten ihm Respekt, als er vor Jahren seiner Frau eine Niere spendete. Steinmeier kennt Deutschland von innen und hat auch die Sicht von außen auf unser Land. Das hilft manchmal, um deutscher Nabelschau zu entgehen. Zu Angela Merkel, die Steinmeier eher widerwillig und letztlich aus Mangel an wirklich geeigneten Unions-Kandidaten mittragen muss, hat der Noch-Minister ein langes, loyales aber auch streitbares Verhältnis. Beide haben sich politisch hart bekämpft, als sie jeweils Regierung oder Opposition waren. Bei seiner Kanzlerkandidatur 2009 war er Merkel klar unterlegen, was jedoch keine dauerhaften Spuren in beider Verhältnis nach sich zog. Das dürfte auch in Zukunft so bleiben.

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