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Mittelbayerische Zeitung: Ein vorsichtiger Schwenk
Vom zweiten Asylpaket sind keine Wunderdinge zu erwarten. Leitartikel von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Politik sei ein starkes, langsames Bohren dicker Bretter mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich, meinte einst der Philosoph Max Weber. So gesehen geht die Berliner Großkoalition mit ihrem gestern auf den Weg gebrachten zweiten Asylpaket daran, das äußerst harte Brett des Flüchtlingsproblems zumindest weiterhin langsam zu bearbeiten. Von Leidenschaft kann dagegen kaum die Rede sein. Man agiert nach monatelangem Streit, nach giftigen Attacken zwischen München und Berlin, eher als von der puren Not Getriebene. Das zweite Asylpaket beinhaltet eine Reihe weiterer Trippelschritte. Wunderdinge sind nicht zu erwarten. Der Flüchtlingsstrom wird nun nicht plötzlich abebben, wahrscheinlich nicht einmal nennenswert zurückgehen. Doch ganz klar ist die Absicht des jetzigen Maßnahmenbündels: der Flüchtlingsstrom soll eingedämmt werden. Weniger der Ankommenden sollen in Deutschland bleiben dürfen. Dies ist, ohne das es die Kanzlerin jemals aussprechen würde, ein vorsichtiger Schwenk in ihrer Flüchtlingspolitik in Richtung Realität. Erst am Wochenende hatte Angela Merkel der staunenden Öffentlichkeit erklärt, dass ein Großteil der syrischen Flüchtlinge wohl oder übel zurück in die Heimat gehen müsse. Nach der grenzenlosen Grenzöffnung im Sommer, nach über einer Million Flüchtlingen und Asylbewerbern im Land, nach überfüllten Turnhallen und überforderten Kommunen heißt es nun in Berlin: Vorsicht, damit das Boot nicht überladen wird. Man kann den vorsichtigen Kurswechsel der Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage mit vielen Mosaikstücken erklären. Mit der Penetranz von Horst Seehofer, mit dem Wiedererstarken der letzten Sommer schon ziemlich abgehalfterten AfD, mit dem Abschwung der Union in den Umfragen oder mit der Bockigkeit von EU-Partnern vor allem in Osteuropa, die regierungsamtlich Flüchtlingsphobie an den Tag legen, mit der Unfähigkeit der EU, das Problem gemeinsam anzugehen. Wahrscheinlich hat alles zusammen und noch viel mehr eine Rolle gespielt. Jetzt wird an Stellschrauben gedreht, damit der Flüchtlingszustrom gesteuert, geregelt - und vor allem begrenzt werden kann. Mit dem Gesetzespaket hat die schwarz-rote Koalition jetzt gerade noch einmal die Kurve gekriegt, bevor sie sich völlig der Lächerlichkeit und Untätigkeit preisgegeben hätte. Es ist nicht vergessen, dass die gestern als Gesetzesvorschläge vom Kabinett auf den Weg gebrachten Regelungen immerhin bereits vor einem Vierteljahr verabredet worden waren. Schnellere Asylverfahren beispielsweise oder die Verknüpfung von Leistungen mit der Registrierung und Verteilung von Asylsuchenden. Die Aussetzung des Familiennachzugs für eine kleine Gruppe von syrischen Flüchtlingen. Vieles davon ist nicht mehr als Symbolpolitik. Wichtiger ist dagegen, dass das Drunter-und-drüber in der Registrierung von Flüchtlingen - oder eben deren Nichtregistrierung - endlich aufhört. Nicht unmittelbar zum Asylpaket, wohl aber zum Problemkreis, gehört ebenfalls die Ausweitung sicherer nordafrikanischer Drittstaaten, Marokko, Algerien und Tunesien. Im Falle der Ankommenden aus dem Westbalkan hatte diese Maßnahme im Vorjahr fast zum Versiegen dieses Stroms von vor allem Wirtschaftsflüchtlingen geführt. Unumstritten sind solch pauschale Persilscheine mit Blick auf die Einhaltung der Menschenrechte in diesen schwierigen Ländern freilich nicht. Und dass Horst Seehofer gleich noch weitere elf Staaten den Unbedenklichkeitsstatus vergeben will, ist hanebüchen.

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