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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zu Koalition

Regensburg (ots)

Mit selbst gemixter Wein-Apfelsaftschorle hat die alte und neue Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem SPD-Vorsitzenden und künftigen Vize-Kanzler Sigmar Gabriel sowie CSU-Chef Horst Seehofer gestern auf den gerade unterzeichneten Koalitionsvertrag angestoßen. Die große Koalition müsse "eine Koalition für große Aufgaben" sein, befand die Regierungschefin, die heute in ihre dritte Amtszeit startet. Vergleichsweise nüchtern, pragmatisch, ohne Champagner zu schlürfen, wie einst Gerhard Schröder und Joschka Fischer, gehen die Koalitionäre ab heute ans Werk. Ein Blick auf die schwarz-rote Agenda zeigt: Diese neue Bundesregierung mag sich vielleicht keine gewaltigen, glitzernden und visionären Projekte vorgenommen haben - doch ein Arbeitsprogramm, das den Schweiß der Edlen wert ist, schon. Auf dem Tisch steht viel trockenes Graubrot, keine Häppchen mit Kaviar. Der neue Super-Energie- und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel etwa muss bereits bis Ostern 2014 die Generalüberholung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vorlegen. Dazu soll das politische Schwergewicht aus Niedersachsen einen verbindlichen Ausbaupfad und Kostenobergrenzen für umweltfreundliche Energien präsentieren, woran seine Vorgänger kläglich gescheitert waren. Eine harte Nuss dürften auch die angepeilten Reduzierungen der Fördergelder für neue Windräder auf See und an Land sein. Allerdings könnten die Reibereien, die es bislang zwischen Umwelt- und Wirtschaftsressort bei der Energiewende gab, mit der Konzentration in einem Ressort geringer werden. Ein Selbstläufer ist die Energiewende jedoch keinesfalls. Und Gabriel, der zurzeit auf einem Höhenflug ist, dürfte schnell wieder geerdet werden. Wenn er etwa dem Volk eine höhere EEG-Umlage erklären muss. Kaum weniger anspruchsvoll ist der Job von Wolfgang Schäuble, der eine der wenigen Konstanten in Merkels neuem Kabinett ist. Die Stabilisierung des Euro, des europäischen Bankensystems und des Bundeshaushalts sind seine wichtigsten Aufgaben. Bereits am Mittwoch verhandelt der CDU-Mann mit seinen EU-Amtskollegen über Regeln zur Abwicklung maroder Banken. Dafür soll ein Fonds von 55 Milliarden Euro aufgebaut werden, an dem sich deutsche Geldhäuser mit etwa zehn Milliarden beteiligen sollen. Unwägbare Risiken für den Euro bergen weiterhin südeuropäische Krisenstaaten, denen mit vielen Milliarden aus dem Euro-Sicherungsmechanismus unter die Arme gegriffen wird. Ein schwieriger Akt wird zudem die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Auf die neue Arbeitsministerin Andrea Nahles sowie den neuen Super-Verkehrsminister Alexander Dobrindt - seit den Koalitionsverhandlungen sind die beiden Ex-Generalsekretäre von SPD und CSU per Du - warten gleichfalls gewaltige Herausforderungen. Die eine muss den Mindestlohn, der bislang nur auf dem Papier steht, sowie die abschlagsfreie Rente mit 63 - bei 45 Versicherungsjahren - umsetzen. Der andere muss die Verkehrsinfrastruktur auf Vordermann bringen sowie nicht zuletzt die Pkw-Maut ins Werk setzen. Viele halten diese Aufgabe, die ihm Horst Seehofer aufgetragen hat, für die Quadratur des Kreises, also unlösbar. Freilich sind große Aufgaben nichts für Kleingeister. Schwarz-Rot hat sich vieles vorgenommen - und verfügt eigentlich auch über die Kraft und einen riesigen parlamentarischen Rückhalt, um alles umzusetzen.

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