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Mittelbayerische Zeitung: Geistiges Uneigentum Die Proteste gegen ACTA zerren eine wichtige Frage ins Licht: Wem gehören Ideen und was dürfen sie kosten? Leitartikel von Martin Anton

Regensburg (ots)

Die Lage scheint entschärft. Die Bundesregierung hat einen Tag vor dem europaweiten Anti-ACTA-Protesttag angekündigt, das internationale Abkommen gegen Fälschungen vorerst nicht zu unterschreiben. Die Entscheidung liegt jetzt zunächst beim Europäischen Parlament, ob die Richtlinie im Umgang mit Produktpiraterie und Urheberrechten für die 27 Mitgliedstaaten in Kraft treten soll. Damit hat sie die Verantwortung für eine notwendige Diskussion vertagt. Dabei wäre es wichtig festzustellen, was geistiges Eigentum heutzutage bedeutet. Zunächst einmal steht fest, das geistiges Eigentum schützenswert ist. Das lässt sich an ganz einfachen Beispielen vermitteln. Niemand hat es gerne, wenn die eigene Idee auf der Arbeit geklaut wird, ohne das man dafür Anerkennung erhält. Auch sollte es selbstverständlich sein, dass ein Künstler, der mich mit seinem Schaffen berührt, dafür entsprechend entlohnt wird - genauso wie ein Forscher, der innovatives Wissen entwickelt. Nun ist Urheberrecht nicht immer so unmittelbar erlebbar. Das beispielsweise zwischen Musiker und Konsument ein Vermittler steht, der an seiner Rolle verdient ist größtenteils auch nachvollziehbar. Das derzeitige Urheberrecht überträgt aber die Regeln des analogen Musikhandels - um bei diesem Beispiel zu bleiben - auf die Situation im Netz. Wann man eine Musikdatei im Internet teilen möchte, macht man sich strafbar. Sicherlich, erreicht das digitale Mixtape nicht nur sieben Freunde sondern unter Umständen auch den Rest der Welt. Aber ist es deswegen sinnvoll, jeden zu kriminalisieren, der im Internet Bilder und Musik ausgetauscht hat? Oder ist es vielmehr an der Zeit, den Schutz geistigen Eigentums an die technischen Möglichkeiten anzupassen, die nun einmal existieren? Zudem konzentriert sich die gegenwärtige Diskussion leider auf die Recht- oder Unrechtmäßigkeit von File-Sharing. Justizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger kann sich vorerst auch deswegen in die Regierungsbank zurücklehnen, weil Deutschland ohnehin eines der strengsten Urheberrechtsgesetze der Welt hat - nicht ohne Grund. Die deutsche Wirtschaft oder Produkte "Made in Germany" sind vor allem für zwei Dinge bekannt: Qualität und Innovation. Wenn es nicht gelingt, die Forschungsergebnisse und die eventuell daraus entstehenden Patente ausreichend zu schützen, verlieren die Unternehmen einen, wenn nicht sogar den wichtigsten Wettbewerbsvorteil im Kräftemessen mit Firmen, die an Entwicklungs- und Produktionskosten sparen. Doch was, wenn es nicht um eine besonders praktische Kettensäge oder ein vorbildlich effizientes Auto geht, sondern um neue Medikamente und angeblich überlegenes Saatgut? Wenn es also um das Recht an der Heilung und Ernährung von Menschen geht? Anwendbare Forschung wird heutzutage fast ausschließlich von Unternehmen oder zumindest in Kooperation mit ihnen praktiziert. Die geben sich natürlich nicht damit zufrieden, wie Alexander Fleming geadelt zu werden, wenn sie ein das Penicillin entdecken. Schließlich muss Forschung finanziert und ein Profit erreicht werden. Keine Angst, es geht nicht um Kulturpessimismus. Doch kann es auch nicht sein, dass das Urheberrecht auch auf die Gefahr hin geschützt wird, dass Menschen sterben, nur weil Anerkennung keine Währung mehr für geistiges Eigentum ist. Die Chance, das gegenwärtige Interesse an ACTA für grundlegende Überlegungen für den Allgemeinwert von Ideen zu nutzen, sollte nicht verpasst werden - auch nicht vorerst.

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