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Hochrisiko-Spiel mit unseren Lebensgrundlagen: EU will Neue Gentechnik ungebremst freigeben

Hochrisiko-Spiel mit unseren Lebensgrundlagen: EU will Neue Gentechnik ungebremst freigeben
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Hochrisiko-Spiel mit unseren Lebensgrundlagen

EU will Neue Gentechnik ungebremst freigeben

Imkerverbände schlagen Alarm und warnen davor, Biodiversität, Ernährungssicherheit und Finanzstabilität aufs Spiel zusetzen. Denn: In der Einigung zur Neuen Gentechnik am 4. Dezember hat die Europäische Kommission jegliches Vorsorgeprinzip über Bord geworfen. Sie will die bisher geltenden strengen Zulassungsregeln abschaffen mit unkalkulierbaren Folgen für Natur, Landwirtschaft und Verbraucher.

Etwa 94% aller NGT-Pflanzen (NGT 1) sollen ohne Risikoprüfung und klare Kennzeichnung in die Umwelt und damit in die Lebensmittelkette entlassen werden – sogar Wildpflanzen. Patente werden nicht verboten. Gleichzeitig sind weder eine verpflichtende Rückverfolgbarkeit noch ein verbindliches Monitoring vorgesehen. Haftung, Widerrufsmöglichkeiten und Koexistenzregeln, z. B. für Biobetriebe, bleiben unklar.

Der Imkerverband Rheinland-Pfalz und der Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund warnen vor schwerwiegenden langfristigen Folgen für Natur, Wirtschaft, Gesundheit und nachfolgende Generationen. „Die EU ist dabei, aus Europas Lebensgrundlagen ein Hochrisiko-Spiel zu machen“, warnt Thomas Hock, Vorsitzender des Imkerverbandes Rheinland-Pfalz. „Wer in einer Biodiversitätskrise zentrale Standards abbaut, handelt nicht innovativ, sondern verantwortungslos.“

Biodiversitätkrise stellt Klimakrise in den Schatten

Wissenschaftlich besteht breiter Konsens, dass die intensive Agrarindustrie – mit Monokulturen, Einsatz von Pestiziden, synthetischen Düngemitteln und Lebensraumverlust – der Haupttreiber für das Artensterben ist. Und auch die realen Auswirkungen von flächendeckend freigesetzten genveränderten Pflanzen in komplexe Nahrungsnetze und Ökosysteme sind völlig unbekannt. „Ungebremste Gentechnik und patentiertes Saatgut wird den Verlust an Biodiversität weiter beschleunigen und die Landwirte in den Würgegriff der Agrochemie nehmen.“ stellt auch Annette Seehaus-Arnold, Präsidentin des Berufsimkerverbands klar.

„Die Biodiversitätskrise stellt die Klimakrise in ihrer Wirkung auf unsere Lebensgrundlagen mittlerweile in den Schatten“, ergänzt Thomas Hock. „Wo Bestäuber verschwinden, kippen Ökosysteme, werden Ernten unsicher und am Ende stehen Versorgung und Gesundheit auf dem Spiel.“ Ein ökologisches Sicherheitsrisiko für die gesamte Gesellschaft.

Die Imker ziehen eine bittere Parallele zur Pestizidpolitik: Die Argumente der Befürworter – „Innovationen ermöglichen“, „Bürokratie abbauen“, „schnelle Lösungen“ – sind identisch mit denen, die in der Vergangenheit Zulassungsregeln für Pflanzenschutzmittel erleichtert haben. Die Folgen heute: Insektenrückgang, geschädigte Gewässer, belastete Böden. Noch mehr Abbau von Vorsorge ist Brandbeschleunigung.

Die Finanzwelt macht es richtig: Risikoanalyse statt Blindflug

Während die Politik in Brüssel mit dem Argument „Bürokratieabbau“ wichtige Schutzstandards senken will, zieht die Finanzwelt längst gegenteilige Konsequenzen: Banken, Investoren und Rückversicherer beginnen, Natur- und Biodiversitätsrisiken systematisch in ihre Portfolio- und Risikobewertungen einzupreisen. Der Verlust funktionierender Ökosysteme wird dort als handfestes Geschäftsrisiko betrachtet – weil kollabierende Nahrungsketten, instabile Erträge und unterbrochene Lieferketten ganze Volkswirtschaften ins Wanken bringen können.

„Wenn selbst die Finanzwelt Biodiversität als harten Risikofaktor einpreist, ist es politisch fahrlässig, gleichzeitig Schutzstandards abzubauen“, so Hock. „Die Rechnung verschiebt sich ledglich in die Zukunft – auf Steuerzahler, auf die Landwirtschaft und auf kommende Generationen.“ Die möglichen Folgekosten einer leichtfertigen Deregulierung sind absehbar: Ernteausfälle, steigende Lebensmittelpreise, zusätzliche öffentliche Krisenprogramme, wachsende Belastungen für Wasser- und Umweltmanagement sowie Rechts- und Konfliktkosten entlang der Wertschöpfungsketten.

Klumpenrisiko: Machtkonzentration bei wenigen Konzernen

Zusätzlich warnen die Imker vor einem gefährlichen „Klumpenrisiko“. Mit der Deregulierung der NGT-1-Pflanzen und einer damit verbundene Patentierungswelle droht eine gefährliche Machtverschiebung: „Wenn eine Hand voll Konzerne über Zuchtmaterial und Schlüsseltechnologien bestimmen, wächst ihr Einfluss selbst auf unsere Grundnahrungsmittel – auf Kosten von Vielfalt, Resilienz und fairen Märkten“, warnt Hock. „Das ist nicht nur ein ökologisches, sondern ein massives ökonomisches Sicherheitsrisiko.“ Ernteausfälle, ökologische Sanierungsmaßnahmen oder Gesundheitskosten – die Folgen wären immens und werden vom Steuerzahler, nicht von den Konzernen als Patentinhaber, getragen. Am Ende zahlt den Schaden immer der Verbraucher.

Forderungen an die Politik: strenge Regulierung und Haftung

Der Trilog-Kompromiss ist noch nicht endgültig entschieden. Die Agrarminister im EU-Rat und das Plenum des Europäischen Parlaments müssen erst zustimmen. Die Imkerverbände fordern jetzt die Bundesregierung und die Abgeordneten des EU-Parlaments auf, dem aktuellen Vorschlag im Agrarrat und im Plenum nicht zuzustimmen.

Wer heute schweigt, zahlt morgen – mit einer ärmeren Natur, höherem Risiko in der Lebensmittelversorgung und hohen Folgekosten für die Gesellschaft. Deshalb stellen die Imker klare Forderungen:

  1. Klare Regelungen und Transparenz: Lückenlose Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von NGT-Saatgut bis zum Endprodukt - für Verbraucher, Landwirte, Verarbeiter und Imkerei.
  2. Echte Risikoprüfung und Monitoring: Keine Pauschalzulassungen ohne unabhängige Risikobewertung für Bestäuber, Biodiversität und Ökosysteme sowie verpflichtendes Monitoring freigesetzter Organismen.
  3. Haftung und Koexistenz sichern: Der Verursacher haftet. Gentechnikfrei wirtschaftende Betriebe – einschließlich Imkerei und Biolandbau – brauchen wirksame Schutz- und Entschädigungsregeln.
  4. Patente begrenzen, Vielfalt schützen: Keine Politik, die neue Abhängigkeiten über Patente und Marktmacht weniger Konzerne schafft und Züchtungsvielfalt einschränkt.

(6.000 Zeichen)/10.12.2025

Medienkontakt

Imkerverband Rheinland-Pfalz

Thomas Hock, 1. Vorsitzender: thomas.hock@imkerverband-rlp.de

Deutscher Berufs- und Erwerbsimkerbund

Janine Fritsch: presse@berufsimker.de

Hinweis an Redaktionen:

Gern vermitteln wir Gesprächspartner aus Imkerei, Landwirtschaft und Naturschutz sowie Hintergrundmaterial zur Bedeutung von Bestäubern und zur Relevanz von Transparenz- und Vorsorgestandards in der EU-Lebensmittelpolitik.

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janine.fritsch@berufsimker.de, +49 (0) 151 65168241
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www.berufsimker.de
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