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Westfalenpost: Schrilles Babylon Groteske Diskussion um Jugendstrafrecht

Hagen (ots)

Von Jörg Bartmann
Das hochgekochte Thema Jugendstrafrecht hat eine Stufe erreicht, 
die mit realer Politik (hoffentlich) nicht viel zu tun hat. Das 
schrille Babylon ist ausgerichtet auf eine marktschreierische 
Momentaufnahme, mit gezielter Absicht, eine schnelle, kurzfristige 
Wirkung zu erreichen. Hessens Ministerpräsident Koch kann dabei für 
sich in Anspruch nehmen, das Thema auf die Agenda gesetzt zu haben, 
für Bundeskanzlerin Merkel blieb vor den anstehenden 
Landtagswahlkämpfen nur übrig, das Thema bei der CDU-Klausurtagung 
durchzuwinken.
 Das ist doch alles mehr als grotesk. Während die CDU eigene Kritiker
der Gesetzesverschärfung einsammelt, beschränken sich die 
Sozialdemokraten auf scharfe Worte, ohne die Chance zu nutzen, auf 
inhaltliche Möglichkeiten einzugehen. Für Erziehungscamps benötigt 
man nach der gegenwärtigen Lage keine Verschärfung, das gilt im 
übrigen auch für mehrwöchige Arreste. Dabei können wir uns auf Angela
Merkel berufen, die mit der Großen Koalition noch 2006 weitreichende 
Gesetzesentwürfe ablehnte. Mit der Begründung: Fachliche Kritik habe 
den Ausschlag gegeben. Was hat sich seitdem geändert? Es stehen 
Wahlen an. Das sind dann Zeiten, in denen einiges durcheinander geht.
Vermeintliche Defizite werden aufgebauscht, in der Hoffnung, den 
Nagel auf den Kopf zu treffen.
 Nach Umfragewerten ist dem nicht so. Das Erregungsthema wird von der
Mehrzahl der Bevölkerung differenzierter wahrgenommen. Es geht nicht 
um naive Sozialromantik, um Kuschelpädagogik, sondern um wirksame 
Bestrafungsmöglichkeiten für Jugendliche. Und wenn es bei den 
Gesetzen Defizite gibt, dann beim Vollzug. Wenn man sich sachdienlich
mit dem Thema beschäftigt, stellt sich zu allererst eine Frage: Warum
werden die Gesetze nicht konsequent angewendet? Sind Schuld und Sühne
noch erkennbar, wenn die Verfahren lange auf sich warten lassen? Da 
liegt der Hase im Pfeffer. Für Ministerpräsident Koch ein leidiges 
Thema: Bei der Dauer der Verfahren ziert Hessen mit Brandenburg 
gemeinsam das Schlusslicht. Das ist schon peinlich, angesichts der 
Großwetterlage.
 Das gilt auch für Nordrhein-Westfalen. Erziehungscamp nein, 
Erziehungscamp ja. Absprachen zwischen Justizministerin 
Müller-Piepenkötter und Familienminister Laschet: Fehlanzeige. Das 
kommt dann bei Schnellschüssen heraus. Nach dem Dementi folgte die 
Kehrtwende ohne die Stellen vor Ort zu unterrichten. Im babylonischen
Sprachenwirrwarr ist die politische Sachlichkeit auf der Strecke 
geblieben. Keine Spur von Klasse.

Pressekontakt:

Westfalenpost
Redaktion

Telefon: 02331/9174160

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