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WAZ: Noch mehr US-Soldaten in den Irak: Die Niederlage hinausgezögert - Kommentar von Markus Günther

Essen (ots)

Glaubt der amerikanische Präsident tatsächlich, dass
man mit 20 000 zusätzlichen Soldaten das Blatt im Irak wenden kann? 
Meinen die Strategen im Weißen Haus wirklich, dass aus dem Irak 
demnächst doch noch ein friedliches demokratisches Land wird und die 
amerikanischen Truppen - von dankbaren Irakern freundlich 
verabschiedet - bald abziehen können? Nein, derlei naiven Optimismus,
wie er für die Anfangsphase dieses Krieges kennzeichnend und 
verhängnisvoll war, verbreiten nicht einmal Bush und die Seinen. Im 
Gegenteil, selbst im Weißen Haus ist man skeptisch, ob das alles noch
Sinn hat, und Bushs Lagebeschreibung war so nüchtern und realistisch 
wie nie zuvor.
Aber warum dann überhaupt eine Fortsetzung dieses Krieges, warum 
die Entsendung neuer Truppen? Weil die Alternativen - so jedenfalls 
die Argumentation der US-Regierung - noch viel schlechter sind und 
man es auf einen letzten, nicht allzu chancenreichen, aber auch nicht
völlig aussichtslosen Kraftakt ankommen lassen muss.
Richtig an dieser Argumentation ist, dass es im Irak keine 
attraktiven Optionen mehr gibt. Ein sofortiger Truppenabzug? Aus dem 
längst begonnenen Bruder- und Bürgerkrieg im Irak würde dann ein 
uferloser regionaler Krieg, vermutlich mit iranischer und 
saudi-arabischer, womöglich auch türkischer Beteiligung. Es ist ein 
geopolitisches Horror-Szenario, das in niemandes Interesse sein kann.
Auch ein fester Termin für den Abzug - in drei, sechs oder zwölf 
Monaten - läuft etwa auf dasselbe hinaus: Es ist das Eingeständnis 
der totalen Niederlage, und es ist die Bereitschaft, den Irak und die
ganze Region mit einem durch die USA begonnenen und forthin nicht 
mehr kontrollierbaren Konflikt im Stich zu lassen.
Ein letzter Kraftakt, ein gewaltiger Befreiungsschlag, die 
Entsendung neuer Truppen mit der Begründung, das Opfer der schon 
Gefallenen bleibe sonst sinnlos - die Geschichte ist voll von 
Beispielen, wie auf diese Weise Niederlagen hinausgezögert und Kriege
verlängert wurden. Der Vietnamkrieg in Sonderheit endete ebenso. 
Vieles spricht dafür, dass auch "der neue Weg vorwärts", wie Bush 
seine Irak-Strategie jetzt nennt, nur ein Umweg ins Unvermeidliche 
ist: Der Rückzug - mit all seinen verheerenden Folgen - ist noch 
einmal aufgeschoben. Doch die Zeitspanne, die bleibt, um die Dinge im
Irak zu wenden, ist kurz. Wenn Bush nicht innerhalb weniger Monate 
Teilerfolge und eine strategische Wende vorweisen kann, wird der 
innenpolitische Druck für einen Rückzug so groß, dass sich selbst der
Präsident wird beugen müssen.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Thomas Kloß
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

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