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WAZ: Kinderlärm ohne Grenzen - Das Rücksichtsgebot gilt auch für Eltern - Leitartikel von Julia Emmrich

Essen (ots)

Kinder sind laut, da lässt sich nichts schön reden.
Zum Kindsein gehört das Lautsein. Sorgen muss man sich eher machen, 
wenn ein Kind verdächtig ruhig ist. "Es ist so still, was ist da 
los?" - die typische Elternfrage mit dem leichten Panik- flackern in 
der Stimme. Wer Kinder will - und das wollen, zumindest in der 
Theorie, die meisten Deutschen -, der handelt sich Lebensgeräusche 
ein.
So weit, so einfach. Schwierig wird es, wenn aus der Theorie 
Praxis wird. Wenn nebenan ein Spielplatz oder eine Kita gebaut wird 
oder die fünfköpfige Familie in die Wohnung drüber einziehen will. 
Das liegt daran, dass man heute in Deutschland ein Leben führen kann,
in dem Kinder nicht mehr auftauchen. Wer kleine Kinder weder in der 
Familie noch in der Freizeit erlebt, reagiert verständlicherweise 
empfindlich auf einen ganzen Spielplatz voller krähender Kleinkinder 
und Größerer, die lautstark Wikingerüberfall, Ponyhofpanik oder 
Autorennen spielen - und am Ende auch noch aus Familien kommen, wo es
nur zwei Lautstärken gibt: Brüllen oder Schweigen. Aber auch die 
anderen wollen gerne mal ihre Ruhe haben. Man glaubt es kaum, aber 
sogar Eltern sind froh, wenn sie auf dem Balkon sitzen können und 
nebenan ist gerade mal kein Kinderbrüllfest.
Jetzt, da der Bundestag die Lärmschutzhürden für Kitas und 
Spielplätze kippen will und für die "natürlichen Geräusche" von 
Kindern ein besonderes Toleranzgebot der Gesellschaft anmahnt, muss 
man sich entscheiden. Entweder nickt man reflexartig in Richtung der 
kinderlosen Mitmenschen und schiebt noch nach: "Regt euch nicht so 
auf, ihr wart als Kinder genauso laut." Oder man wird ausnahmsweise 
selbst mal ganz still und hört sich um.
Denn mit den "natürlichen Geräuschen" ist das so eine Sache. Wer 
einmal zugehört hat, wie ein Kind einen ganzen Nachmittag lang mit 
dem Basketball Körbe werfen übt, oder wie sich ein Trupp Fünfjähriger
in präpotentem Größenwahn angrölt, oder wie oben in der Wohnung ein 
Bobbycar sein Tagespensum von zehn Kilometern abnudelt, der hat auf 
einmal ein sehr enges Verständnis von "natürlich".
Bitte mal erinnern: Wenn das Baby schläft, sollen alle still 
sein. Und später? Wer ermahnt seinen Drittklässler, die Mittagsruhe 
einzuhalten? Oder vor sieben und nach zehn Uhr keinen Radau zu 
machen? Rücksichtsnahme ist eine Sache, die Eltern immer lauthals 
fordern. Oft vergessen sie aber darüber selbst das Rücksichtnehmen.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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