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WAZ: Deutsche Einheit wird 18 - Erwachsen ist sie noch nicht. Leitartikel von Angelika Wölk

Essen (ots)

Die deutsche Einheit wird volljährig. Am 3. Oktober
1990 ist die DDR endgültig untergegangen. Und wie es sich so gehört, 
wird der 18. Geburtstag auch angemessen gefeiert; Erinnerungen an die
politisch nicht leichte Geburt werden wieder wach. Alte Bilder werden
ausgekramt - vom beeindruckenden Mut der Menschen, in der Diktatur 
aufzubegehren, von den überwältigenden Montagsdemonstrationen, vom 
fröhlichen Tanz auf der Berliner Mauer.
Aber 18-Jährige sind zwar volljährig, erwachsen sind sie in den 
allermeisten Fällen noch nicht. Sie müssen noch viel lernen, 
Erfahrungen machen. Genau das muss die Einheit auch.
Und das bezieht sich nicht nur auf die wirtschaftliche Lage. 
Obwohl sie alles andere als gut ist. Die blühenden Landschaften - sie
waren zwar von Anfang an mehr Vision denn Wirklichkeit. Aber die 
Vision ist heute in vielen Regionen kaum enger an die Wirklichkeit 
gerückt als damals. Langzeitarbeitslosigkeit, verlassene Dörfer, 
Abwanderung der gut ausgebildeten, jungen Leute in den Westen - das 
alles sind Schlagworte, die das Leben in den neuen Bundesländern 
leider immer noch prägen. Die wirtschaftliche Aufholjagd im Osten 
kommt nicht richtig voran. Das stellte der Bericht der 
Bundesregierung gerade erst fest.
Aber die harten Wirtschaftsdaten sind nur das eine, die 
emotionale Lage, die Befindlichkeiten der Einheit - sie sind das 
andere. Und wer da genauer hinsieht, der sieht in einen beunruhigend 
tiefen Abgrund. Die erschreckend populäre "Ostalgie" gehört dazu. Da 
wird die DDR als Kuschelstaat dargestellt, als soziales Paradies. 
Unfreiheit und Menschenverachtung, Stasi, Mauer, politische Häftlinge
- als habe es all das gar nicht gegeben; als sei es den Menschen 
egal, dass sie Freiheit und Demokratie gewonnen haben. Aber nicht nur
die SED-Mitläufer und ehemaligen Funktionäre verklären das Bild der 
DDR. Eine Studie offenbarte jüngst, dass auch Schüler nicht wissen, 
dass in der DDR eine Diktatur herrschte, dass sie Willy Brandt und 
Konrad Adenauer für DDR-Politiker halten.
Was zeigen also die Innenansichten in die Gefühlslage der 
deutschen Einheit? Dass sie tatsächlich noch nicht erwachsen ist, 
dass sie noch längst nicht in den Köpfen der Menschen - Ost wie West 
- angekommen ist. Was fehlt, das sind das Wissen voneinander, 
Aufklärung und Ehrlichkeit im Umgang mit der Vergangenheit. Zu ihrem 
Erwachsenwerden beitragen können aber nicht nur Politik und Schule, 
das kann auch jeder Einzelne von uns.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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