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WAZ: Eltern fordern Schulreformen - Gesundbeten reicht nicht. Leitartikel von Sigrid Krause

Essen (ots)

So eindeutig fielen die Zahlen  noch nie aus: Fast
jeder zweite Deutsche hält das Schulsystem für ungerecht und fordert 
spürbare Reformen. Während Politiker sich weiter verstricken in alten
politischen Graben-kämpfen um Erhalt oder Abschaffung deutscher 
Schultraditionen, ist das Volk offenbar längst weiter. Eine große 
Mehrheit beweist einen klaren Blick auf die Realität und mag diese 
nicht länger hinnehmen. Sie fordert, dass Kinder in Deutschland 
endlich die Schulen bekommen, die sie dringend brauchen: Schulen, die
nicht systematisch jene Kinder benachteiligen, die ohnehin auf der 
Schattenseite des Lebens aufwachsen.
Die Statistik belegt es: Jede vierte Familie in Deutschland hat 
einen "Migrations-Hintergrund". Sprich: Ein oder beide Elternteile 
stammen aus dem Ausland, ihre Kinder wachsen mit einer anderen 
Muttersprache auf. Die Mehrzahl dieser Kinder scheitert bisher im 
deutschen Schulsystem. Zu viele stehen nach zehn Schuljahren ohne 
Abschluss da, ohne Chance auf eine eigenständige berufliche Zukunft. 
Zugleich wachsen auch immer mehr deutsche Kinder in Armut auf - sei 
es in finanzieller Not oder in psychischer und sozialer 
Verwahrlosung. Alles ist gleich schlimm, weil sie alle in den 
seltensten Fällen zu zufriedenen und tatkräftigen Menschen 
heranwachsen können.
Dass sich dieses Problem nicht von selbst erledigt, ist 
offensichtlich den meisten Menschen im Land klar. Erstaunlich 
eindeutig fallen ihre Lösungsvorschläge aus: Dass Schulen in 
Problemvierteln deutlich besser ausgestattet werden müssen, ist für 
die meisten Bürger und Eltern offensichtlich keine Frage mehr.
Besonders aufhorchen lässt, dass die Forderung nach 
Besserstellung - also energischer Bevorzugung - benachteiligter 
Schulen und Kinder auch von jenen Eltern kommt, deren Kinder ein 
Gymnasium besuchen. Offenbar sind die doch gar nicht so sehr auf den 
Erhalt ihrer abgeschotteten "Elite" fixiert, wie ängstliche 
konservative Politiker dies bislang vermuten. Das sollte ihnen zu 
denken geben.
Ohnehin wird es Zeit, dass die Politik sich auf die Realität 
einlässt. Kesse Slogans auf knalligen Plakaten, die vorgebliche 
Fortschritte in den Schulen des Landes preisen, dürften bei Eltern 
vom Schlag der Bertelsmann-Studie allenfalls ein Naserümpfen 
hervorrufen. Nicht Gesundbeten lautet die Forderung der Stunde, 
sondern Handeln. Überlegt und mit einem klaren Ziel: Bessere 
Lernbedingungen für alle.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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