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WAZ: Flucht und Vertreibung - Ein kluger Kompromiss. Leitartikel von Christopher Onkelbach

Essen (ots)

Ein "Zentrum für die Vertreibung", am besten mitten
in Berlin - das war der Plan der CDU-Politikerin Erika Steinbach, den
sie jahrelang beharrlich verfolgte. Steinbach wollte damit an das 
Schicksal von mehr als zwölf Millionen Deutschen erinnern, die nach 
dem Zweiten Weltkrieg ihre Heimat verlassen mussten. Die Sache war 
umstritten. Von Revisionismus war die Rede, von Aufrechnung, von 
Umdeutung deutscher Geschichte. Viele befürchteten nicht ganz zu 
Unrecht, dass ein solches Projekt, angestoßen und getragen vom "Bund 
der Vertriebenen", sich zu einseitig mit dem Leid der Deutschen 
befassen würde und die Ursache des Dramas, der von Deutschland 
begonnene verbrecherische Angriffskrieg, in den Hintergrund rücken 
würde.
Was nun entstehen soll, ist ein Kompromiss geworden. Und es ist 
keiner von der Art, die man eine Notlösung nennen muss, um alle 
Seiten irgendwie ins Boot zu holen. Es ist, wenn alles so kommt wie 
geplant, ein kluger Kompromiss.
Denn: Das Dokumentationszentrum wird nicht in exponierter Lage 
eingerichtet, sondern unauffällig am Rande von Kreuzberg. Es ist 
nicht das Projekt der Vertriebenenverbände, sondern findet unter 
staatlicher Hoheit statt. Es wird angegliedert an das Deutsche 
Historische Museum, das bereits im Sommer 2006 die viel gelobte 
Ausstellung "Flucht, Vertreibung und Integration" zeigte. Und im 
Beirat werden auch polnische, ungarische und tschechische Historiker 
sitzen, was garantiert, dass auch die Leiden anderer Nationen 
Beachtung finden.
Als Günter Grass im Jahr 2002 seine Novelle "Im Krebsgang" 
veröffentlichte und darin den Untergang der "Wilhelm Gustloff" zum 
Thema machte, wurde das Vertreibungsthema auch für die Linke 
diskutabel. Denn Grass, ein ausgewiesener Linker, ein Intellektueller
und das "Gewissen der Nation", war des Revisionismus unverdächtig. 
Auch dadurch kam Bewegung in den Streit um das Vertreibungszentrum. 
Gewiss, die Deutschen haben furchtbar gelitten, an der Front, in den 
Bombennächten, auf der Flucht. Wer dies durchgemacht hat, ist oft bis
an sein Lebensende traumatisiert und vermutlich überfordert damit, 
die Leiden anderer noch schrecklicher zu finden.
Doch alles, was die Deutschen erleben mussten, ist nicht zu 
vergleichen mit dem, wie die Nazis mit ihren Opfern umgingen. Daher 
muss das geplante Dokumentationszentrum das schlimme Schicksal der 
Vertreibung sinnvoll in die Vorgeschichte einbetten und klarstellen, 
dass die Ursache für diese Katastrophe in Deutschland lag.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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