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Chaostage in Iowa
Leitartikel von Dirk Hautkapp zu US-Demokraten

Berlin (ots)

Kurzform: Wenn im November bei der Präsidentschaftswahl die Wahlbeteiligung einen neuen Tiefstand erreichen und Donald Trump davon profitieren sollte, darf sich niemand beklagen. Die Versager von Iowa haben den Grundstein gelegt.

Der vollständige Leitartikel: In Amerika ist am Montagabend eine basisdemokratische Tradition zu Grabe getragen worden. Iowa, der Bundesstaat im Mittleren Westen, in dem nur drei Millionen Menschen wohnen, hat mit einem aus Technikversagen, Unvermögen und Ehrpusseligkeit gespeisten Debakel seine Rolle als Fackelträger des Vorwahlmarathons zur demokratischen Präsidentschaftskandidatur wohl auf ewig verwirkt. Seit fast einem halben Jahrhundert wurde hier alle vier Jahre der erste Stein auf dem Weg ins Weiße Haus ins Wasser geworfen. Die konzentrischen Kreise, die in dem zutiefst weißen, gottesgläubigen und landwirtschaftlich geprägten Bundesstaat ausgelöst wurden, reichten nicht selten bis ins Oval Office. Eine Panne von bananenrepublikanischem Ausmaß sorgt nun mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Zäsur. Auch viele Stunden nach dem auf Drängen von Kandidat Bernie Sanders unnötig verkomplizierten Wahlgang lagen die Ergebnisse nicht vor. Weil Telefonleitungen überlastet waren und eine zentrale Handy-App, die für die Übermittlung der Resultate konzipiert worden war, nicht reibungslos funktionierte. Das wirft ein verheerendes Licht auf die politisch ohnehin zwischen Moderaten und Links-Progressiven zerstrittene Demokratische Partei und ihre Funktionstüchtigkeit. Weit über Iowa hinaus stellen sich Wähler die Frage: Wie kann man dem Vertreter einer Partei die Verantwortung für die Staatsgeschäfte übertragen, die nicht einmal ein simples Votum mit circa 200.000 Stimmen zeitnah und ordnungsgemäß über die Bühne bringen kann? Profiteur des Debakels ist - auch wenn den Republikanern vor acht Jahren eine ähnliche Panne unterlaufen ist - vorläufig US-Präsident Donald Trump. Den Umfragen nach ist er ein angeschlagener Mann; jedenfalls außerhalb seiner Kernwählerschaft. Doch der Rohrkrepierer der Demokraten verschafft ihm Auftrieb. Dazu die Rede zur "Lage der Nation" vor dem Kongress, wo ihn die Hälfte der Parlamentarier politisch gern zum Teufel jagen würde, und der heutige Mittwoch: Dann werden die Trump ergebenen Republikaner im Senat dem Amtsenthebungsverfahren in der Ukraine-Affäre formal mit einem Freispruch für den Präsidenten den Todesstoß versetzen - trotz überwältigender Indizien, die Trump analog zu Richard Nixon in der Watergate-Affäre als "tricky dick" erscheinen lassen. Iowa ist für den Amtsinhaber das Sahnehäubchen auf dem Mokka. Dabei geht es um weit mehr als Symbolik. Auch wenn klar ist, dass in drei Wochen nicht mehr über die für die Endabrechnung ohnehin nicht relevanten Delegierten-Zahlen aus Iowa geredet wird, hat sich ein ohnehin vorhandenes Unbehagen weiter vergrößert. Amerika hadert seit Jahren mit der Integrität seiner demokratischen Prozesse. Das Wahlsystem ist föderal. Hier wird auf Papier-Wahlzetteln gewählt, dort an Wahlcomputern. Beide Systeme haben - zuletzt zwischen Al Gore und George W. Bush im Jahr 2000 - gezeigt, wie anfällig sie sind. Dazu kommt spätestens seit dem Jahr 2016 die berechtigte Sorge vor Manipulationsversuchen aus dem Ausland (Russland). Zieht man dann noch die schräge Logik in Betracht, dass nicht der Mehrheitswillen der Wähler über den Einzug ins höchste Staatsamt entscheidet, sondern ein Wahlmännergremium, ist das Chaos perfekt. Wenn im November bei der Präsidentschaftswahl die Wahlbeteiligung einen neuen Tiefstand erreichen und Donald Trump davon profitieren sollte, darf sich niemand beklagen. Die Versager von Iowa haben den Grundstein gelegt.

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