All Stories
Follow
Subscribe to BERLINER MORGENPOST

BERLINER MORGENPOST

BERLINER MORGENPOST: Viel haben die Piraten an Land nicht zu befürchten - Leitartikel von Jochim Stoltenberg

Berlin (ots)

In der Politik sorgen die Piraten für Aufmunterung. Zur See verbreiten sie dagegen Angst und Schrecken. Letzteres trifft natürlich auch eine führende Handelsnation wie Deutschland. Ihr Wohlstand beruht nicht zuletzt auf freien, sicheren Seewegen. Eine der wichtigsten Handelsrouten, das Seegebiet am Horn von Afrika bis weit hinaus auf den Indischen Ozean, wird seit Jahren von Seeräubern bedroht. Wenn die EU- Schutzmission "Atalanta" zur Sicherung der internationalen Schifffahrt und der Schiffsbesatzungen jetzt aus geweitet wird, ist das keine Option für einen Luft-Boden-Krieg, wie der Grünen-Möchtegern-Außenminister Jürgen Trittin polemisch behauptet. Vielmehr eine überfällig Reaktion auf die immer raffinierteren Angriffsmethoden der Piraten. Und selbst die fällt eher bescheiden aus. Nach dem Beschluss der Bundesregierung dürfen die am "Atalanta"-Einsatz beteiligten deutschen Marinekräfte künftig logistische Basen und Piratenschiffe an Land attackieren. Ihr Operationsgebiet wird allerdings auf maximal 2000 Meter vom Strand aus gerechnet ins Landesinnere begrenzt. Und nach dem neuen Mandat, das im Mai vom Bundestag abschließend verabschiedet werden soll, dürfen weder Häfen bombardiert noch darf auf Menschen geschossen werden. Auch wenn sich andere "Atalanta"-Verbündete nicht ganz so strenge Auflagen verordnet haben - für die Bundeswehr kann von einer wirklich neuen Qualität des Kampfes gegen die Piraten kaum die Rede sein. Die Feuerkraft ihrer eingesetzten Schiffe beschränkt sich auf schwere Maschinengewehre mit einer Reichweite von maximal 1000 Metern, größere Landoperationen sind in dem Mandat ausdrücklich nicht vorgesehen. Aber immerhin: Die Piraten können sich an Land, in den Stützpunkten ihrer Kaperfahrten, nicht länger so sicher fühlen wie bisher. Dort sind sie anfälliger geworden, seit sie nicht mehr allein mit ihren traditionellen Daus vor den Küsten Ostafrikas, Schwerpunkt Somalia, auf Beutezug gehen. Längst haben sie sich aus den Lösegelderpressungen in mittlerweile eher Milliarden-Höhe mit Schnellbooten und modernster Navigations- und Kommunikationstechnik hochgerüstet. Ist es auch eher bescheiden, so bleibt das erweiterte "Atalanta"-Mandat für die Bundeswehr selbst dann richtig, wenn die Opposition bei ihrem "Nein" bleiben sollte und erstmals einen Auslandseinsatz nicht mitträgt. Eine exportorientierte Nation wie Deutschland muss das Ihre für sichere Seewege beitragen. Die allerdings werden dauerhaft nicht durch Marineeinsätze zurückerobert. Der Kampf gegen Piraten und deren feine, stinkreiche Hintermänner kann nur gewonnen werden, wenn sogenannte failed states, in Anarchie versunkene Staaten wie Somalia, wieder handlungsfähige Regierungen bekommen, die für Sicherheit im Lande und vor ihrer Küste ebenso sorgen wie für wirtschaftlichen Aufschwung. Wirkungsvoller militärischer Einsatz gegen Piraten ist nötig. Langfristig wichtiger, weil erfolgreicher, ist diplomatische wie finanzielle Unterstützung, die aus gescheiterten Staaten wieder gut regierte macht. Dieser Teil der Doppelstrategie gegen Piraterie kommt bislang noch zu kurz.

Pressekontakt:

BERLINER MORGENPOST

Chef vom Dienst

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original content of: BERLINER MORGENPOST, transmitted by news aktuell

More stories: BERLINER MORGENPOST
More stories: BERLINER MORGENPOST
  • 16.04.2012 – 18:40

    BERLINER MORGENPOST: Abgeordnete sind kein Stimmvieh - Leitartikel von Jochim Stoltenberg

    Berlin (ots) - Die alte Weisheit, dass ein rechtzeitiger Blick ins Grundgesetz viel Ärger erspart, hat sich einmal mehr bestätigt. Im Artikel 38, gleich im ersten Absatz, ist nachzulesen, dass Abgeordnete des Bundestags "an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen" sind. Man kann nur ungläubig mit dem Kopf schütteln, dass der ...

  • 14.04.2012 – 18:04

    BERLINER MORGENPOST: Nur auf die Unsicherheit ist Verlass - Leitartikel von Hajo Schumacher

    Berlin (ots) - Neulich das Gespräch mit einer jungen Unternehmerin: Ja, der Laden laufe ganz gut. Dennoch sei sie vorsichtig und habe zwei von vier Mitarbeitern auf Teilzeit gesetzt. Die Kosten, der Druck, die Unsicherheit - lieber sicher klein, als mit Risiko expandieren. Wer immer sich mit seinem Geschäft in der Selbstständigkeit bewegt, lässt Obacht walten. Wer ...