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Berliner Morgenpost: Die falsche Zeit für neue Wohltaten - Leitartikel

Berlin (ots)

Experten und Regierung korrigieren ihre
Wachstumsprognosen nach oben, Unternehmen in den USA und jetzt auch 
in Deutschland melden eine unerwartet gute Ertragslage, der 
Aufwärtstrend der Börsenkurse ist ungebrochen: Die Serie guter 
Wirtschaftsnachrichten reißt nicht ab. Da war es nur eine Frage der 
Zeit, bis die ersten Forderungen auftauchen, die Konjunkturpakete 
zurückzufahren.
Das Argument, mit dem solche Forderungen in der Vergangenheit meist 
begründet wurden, zieht dieses Mal nicht: Die Gefahr, dass die 
staatlichen Ausgabenprogramme die Wirtschaft überhitzen, ist auf 
absehbare Zeit denkbar gering. Auch wäre es verfrüht, die avisierten 
Maßnahmen und Projekte gleich wieder zu kassieren - dazu ist die 
konjunkturelle Erholung im Moment noch zu fragil.
Grundsätzlich ist die Diskussion dagegen durchaus wichtig. 
Konjunkturprogramme, die länger laufen als unbedingt nötig, sind 
rausgeworfenes Steuergeld. Und dergleichen kann sich Deutschland 
angesichts der desaströsen Lage der öffentlichen Haushalte beim 
besten Willen nicht leisten. Sobald es die Wirtschaftslage erlaubt, 
wird die künftige Koalition auf einen rigiden Sparkurs umschwenken 
müssen.
Wann es soweit sein wird, ist im Moment völlig unklar - vielleicht in
zwölf Monaten, vielleicht auch erst in 24. Von Stimulieren auf Sparen
umzuschalten, braucht allerdings Zeit: Wie behäbig die deutsche 
Bürokratie und die sie führenden Politiker in solchen Fällen noch 
immer sind, hat gerade erst die lächerlich bis skandalös schleppende 
Umsetzung des Konjunkturpakets II gezeigt.
Umso wichtiger ist es, dass die neue Bundesregierung sich jetzt schon
vorbereitet: Dass sie ein transparentes, vorzugsweise mit den 
europäischen Partnern abgestimmtes Konzept dazu entwirft, wann sie 
unter welchen Umständen wie das Ruder herumwerfen will. Sich 
vorbereiten, um, wenn es soweit ist, so schnell wie möglich handeln 
zu können: Das ist Schwarz-Gelb dem Steuerzahler schuldig.
Bis dahin sollte ein ehernes Prinzip gelten: Keine neuen Ausgaben 
mehr, keine weitere Steuergeschenke ohne saubere und vollständige 
Gegenfinanzierung. Natürlich lassen sich gute Gründe finden, warum 
zum Beispiel das Schonvermögen von Hartz-IV-Empfängern angehoben 
werden sollte. Nur ist es doch immer so: An vermeintliche 
Rechtfertigungen, warum für diese Wählergruppe oder jene unbedingt 
eine Ausnahme gemacht werden sollte, fehlt es nie. Genau deswegen, 
genau weil immer so argumentiert wurde in den vergangenen Jahrzehnten
haben wir ja Schulden in Höhe von bald zwei Billionen Euro 
aufgehäuft.
Schade, dass die angehende Koalition aus Union und FDP den Mut nicht 
aufbringt für ein klares Bekenntnis zum Prinzip der 
Gegenfinanzierung. Statt dessen spricht der Wirtschaftsminister schon
davon, durch die angehobenen Prognosen für das Wirtschaftswachstum 
und damit auch die Steuereinnahmen entstehe "der eine oder andere 
Spielraum". Das lässt nichts Gutes ahnen.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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