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Berliner Morgenpost: Die S-Bahn - ein Fall für den Staatsanwalt - Leitartikel

Berlin (ots)

Was also soll man der Bahn AG, diesem - zumindest
aus Berliner Sicht - Master of Desaster, vorschlagen nach dem dritten
S-Bahn-Debakel? Tabula rasa in der Führungsetage? Längst geschehen, 
da steht ja schon kein Stein mehr auf dem anderen. Freie Fahrt für 
alle, um den Imageschaden ein klein wenig zu begrenzen? Ruinös, 
vermutlich auch eine Verlängerung der Berliner Chaos-Tage ins 
Unendliche - was auch für den Vorschlag gilt, der Senat möge doch 
jetzt mal, hopplahopp, den Vertrag mit der S-Bahn fristlos kündigen. 
Bei allem Respekt vor den diversen privaten Bahnunternehmen, die 
einen ganz guten Job machen im Lande: Den Hauptstadtverkehr mal eben 
aus dem Stand zu übernehmen und verlässlich am Laufen zu halten, 
würde vermutlich jedes von ihnen auf Jahre überfordern.
Nein. Wir werden wohl noch ein Weilchen leben müssen mit unserem 
Staatsunternehmen, das ausgerechnet in Berlin, ausgerechnet an seinem
Firmensitz und auf Steuerzahlers Kosten einen irrsinnigen Schaden 
angerichtet hat. Für die Stadt, die international an Renommee 
einbüßt, sich zum Gespött macht landauf landab; für ihre Bewohner, 
die sich zu Ölsardinen degradieren lassen müssen, um mit dem 
öffentlichen Nahverkehr zur Arbeit zu gelangen, über Monate und jetzt
noch viel länger. Erst recht aber für das eigentlich ja ausgesprochen
zukunftsträchtige Unternehmen Bahn, dessen Ruf ohnehin nicht der 
allerbeste war, dem aber nun ein Totalschaden zu attestieren ist. 
Würde eigentlich irgendjemand diesem Konzern noch guten Gewissens den
Betrieb einer ländlichen Buslinie anvertrauen? Das wird ein langer, 
langer Weg, bis das repariert ist.
Die Bahn hat sich in der Ära Mehdorn und unter Duldung durch die 
verschiedenen Bundesregierungen auf ein äußerst schiefes Gleis 
begeben. Sie hat aus Gründen der Kostensenkung die Gesundheit ihrer 
Berliner Kunden aufs Spiel gesetzt. Das ist eigentlich ein 
Todesurteil für ein Unternehmen, das täglich Millionen Menschen 
transportiert, das täglich Verantwortung übernimmt für deren 
Sicherheit und körperliche Unversehrtheit. Die Wartung ausgerechnet 
an den Bremsen eines Massentransportmittels wie der S-Bahn schleifen 
zu lassen - das ist ein Fall für die Staatsanwaltschaft.
Mehr noch: Wenn man das Berliner Beispiel überträgt auf den 
Regionalverkehr bundesweit, auch auf den Fernverkehr, auf die 
S-Bahnen anderer großer Städte, dann müsste dort eigentlich 
Alarmstimmung herrschen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser sich 
hier in der Hauptstadt öffnende Abgrund an Verantwortungslosigkeit 
ausschließlich auf den Standort Berlin begrenzt ist, dürfte gering 
sein. Und, wenn es so wäre, dürfte man sich auch Gedanken machen, 
warum und weshalb.
Im Prinzip aber müssen jetzt bundesweit alle von der Bahn 
eingesetzten Fahrzeuge einem strengen Sicherheitscheck unterzogen 
werden, bei dem auch geprüft wird, ob das Unternehmen alle 
geforderten Wartungsintervalle eingehalten hat. Das dürfte sehr teuer
werden und sehr nervig. Aber darf man darauf verzichten?

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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