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Berliner Morgenpost: Es muss aufgeklärt statt vertuscht werden - Leitartikel

Berlin (ots)

Nun soll plötzlich alles gar nicht so schlimm sein.
Und deshalb lugt denn auch schon der nächste Skandal um die Ecke. 
Hatten Ärzte und Krankenhausdirektoren sowie ihre jeweiligen 
Standesvertreter nicht tagelang über einen Abgrund von Korruption, 
Bestechung und Missachtung der medizinischen Ethik lamentiert, weil 
Krankenhäuser Kassenärzte finanziell belohnten, wenn sie Patienten in
ihr Hospital überwiesen? Hatten sie nicht gleich auch noch den 
skandalisierenden Begriff "Fangprämie" erdacht? Und nun das: Alle 
Beteiligten spielen die Bestechung im Gesundheitswesen zu einer 
vermeintlichen Petitesse herunter. Der Präsident der Deutschen 
Krankenhausgesellschaft wie der Vizepräsident der Bundesärztekammer 
erklärten gestern nach dem gemeinsamen Spitzentreffen wie aus einem 
Munde, die "Fangprämie" sei der Rede eigentlich kaum wert. Eine 
Kehrtwendung, die stutzig macht.
Wenn tatsächlich das Problem gar keins ist, muss man doch wohl 
staunend fragen, warum eiligst zu einem Spitzentreffen gerufen wurde.
Die Herren Funktionäre müssten doch eigentlich schon vorher über Tun 
oder Nichttun ihrer Klientel im Bilde gewesen sein. Erst recht, wenn 
alles wirklich seine Ordnung hatte. Nun liegt der Verdacht nah, dass 
nicht aufgeklärt, sondern vertuscht werden soll. Schwere Verfehlungen
zumindest mancher Ärzte und Krankenhäuser sollen unter der Decke 
gehalten, Patienten, Krankenkassen und Gesundheitspolitiker möglichst
schnell wieder ruhiggestellt werden, um weiteren Nachforschungen den 
Boden zu entziehen. Die allerdings bleiben dringlich. Wenn 
beispielsweise ein Klinikchef offen darüber spricht, dass nach 
gängiger Praxis in der Orthopädie für die Überweisung zu einer 
Hüftoperation eine "Fangprämie" von 200 oder 300 Euro kassiert wird, 
kommt das einem Skandal recht nahe. Ärzte haben ihren Patienten das 
medizinisch beste Krankenhaus zu empfehlen, nicht das am besten 
zahlende.
Allerdings bleibt Differenzierung geboten. Ein Generalverdacht gegen 
Ärzte ist ebenso unlauter wie gegen im Wettbewerb stehende 
Krankenhäuser. Zumal Verträge zwischen Kassenärzten und Hospitälern -
um Kosten zu sparen - auch legal sein können. Wenn es etwa um die 
Nachbehandlung von Operationen geht. Diese "integrierte Versorgung" 
hat mit strafbewehrter Bestechung, und das sind "Fangprämien", nichts
zu tun.
Dass nun auch noch das medizinische Ethos zur Beliebigkeit zu 
verkommen droht, wirft einen weiteren tiefen Schatten auf unsere 
Gesellschaft. Wem soll man eigentlich noch vertrauen? In der 
Wirtschaft kassieren Pleitemanager Millionen-Abfindungen, Politikern 
glauben die Bürger schon lange kaum noch, an sportlichen 
Höchstleistungen nagt immer öfter der Verdacht unfairen Nachhelfens 
mit Pharmaka. Und nun auch noch Ärzte. Ein Stand, der sich dem 
Selbstverständnis nach allein dem Menschen und nicht dem Mammon 
verpflichtet fühlt. So wird der Zusammenhalt einer Gesellschaft mehr 
und mehr untergraben. Es wird höchste Zeit zur Einkehr.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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