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Am Scheideweg: Kann Japan der Deflationsfalle entkommen?

Mainz (ots)

Nach fast drei Jahrzehnten der Deflation erlebt Japan seit 2022 einen anhaltenden Preisanstieg - ein möglicher Wendepunkt für die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt. Ursprünglich ausgelöst durch externe Faktoren wie steigende Rohstoffpreise und einen schwachen Yen, gewinnt die Teuerung inzwischen zunehmend an Eigendynamik: getragen von Lohnzuwächsen, welche die Inlandsanfrage angekurbelt haben, und steigender Preise im Dienstleistungssektor. Eine Coface-Analyse blickt auf die Frage, ob Japan den Übergang zu einem dauerhaften Preiswachstum schaffen kann.

Nach dem Platzen der Spekulationsblase Anfang der 1990er Jahre durchlief Japan zunächst eine Phase rückläufiger Inflationsraten, die schließlich in eine langanhaltende Deflation, einem allgemeinen Rückgang des Preisniveaus, mündete. Der drastische Wertrückgang von Immobilien und Aktien führte dazu, dass Haushalte und Unternehmen den Abbau ihrer nun im Verhältnis höheren Schulden über Konsum und Investitionen stellten - eine Entwicklung, die als "Bilanzrezession" bezeichnet wird und die Verbraucherpreise konstant niedrig hielt. "In den vergangenen Jahrzehnten kam es zwar vereinzelt zu Inflationsschüben, diese waren jedoch meist temporär und durch externe Schocks wie Ölpreisanstiege oder Steuererhöhungen bedingt - ohne nachhaltige Impulse aus der Binnenwirtschaft", sagt Junyu Tan, Asien-Volkswirt bei Coface.

Dienstleistungen und Löhne als Inflationstreiber

Seit 2022 hat sich das Bild gewandelt: Die Inflation liegt durchgehend über dem 2%-Ziel der Bank of Japan, zunächst angestoßen durch höhere Importkosten und eine Yen-Abwertung. Was als kostengetriebene Inflation begann, hat sich zunehmend zu einem nachfrageseitigen Phänomen entwickelt. Dienstleistungsunternehmen, die dauerhaft unter Margendruck stehen, geben ihre Kosten zunehmend an die Verbraucher weiter.

Gleichzeitig ermöglichten steigende Lebenshaltungskosten und strukturelle Engpässe am Arbeitsmarkt den Gewerkschaften, über drei Jahre hinweg deutlich höhere Lohnsteigerungen durchzusetzen: 3,6% im Jahr 2023, 5,1% im Jahr 2024 und 5,3% im Jahr 2025 - die höchsten Werte seit über 30 Jahren. "Diese Entwicklung markiert einen Paradigmenwechsel für japanische Gewerkschaften weg vom Fokus auf Arbeitsplatzsicherheit und hin zu einer stärkeren Orientierung auf angemessene Löhne", sagt Junyu Tan.

Investitionen als Basis für nachhaltiges Lohnwachstum

Die Fortsetzung der Rückkehr der Inflation hängt nun davon ab, ob Unternehmen in der Lage sind, Lohnerhöhungen durch produktivitätssteigernde Investitionen zu stützen. Nach Jahrzehnten des Bargeldhortens und der Investitionszurückhaltung haben japanische Unternehmen ihre Investitionen seit 2022 deutlich ausgeweitet. Das durchschnittliche jährliche Investitionswachstum lag zwischen 2022 und 2024 bei 9,1%, für 2025 wird ein weiterer Anstieg um 6,7% erwartet. Investitionen fließen besonders stark in die Automatisierung und arbeitsentlastende Technologien, um Japans chronischem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken.

Gleichzeitig steigen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in wachstumsstarken Bereichen wie Halbleiter und grüne Energie - unterstützt unter anderem durch staatliche Fördermaßnahmen. Ob diese Investitionen tatsächlich zu Produktivitätsgewinnen führen, bleibt abzuwarten. Ohne sie drohen jedoch stagnierende Umsätze und ein Rückgang des Lohnwachstums - mit potenziell negativen Folgen für den gesamten Reflationsprozess.

Zwischen Aufschwung und Insolvenz: die Gewinner und Verlierer

Die reflationäre Entwicklung hat Japans Unternehmenslandschaft bereits spürbar verändert. Große, exportorientierte Unternehmen - insbesondere in der Automobil- und Elektromaschinenbranche - profitieren vom schwachen Yen und der starken globalen Nachfrage. Ihre Gewinne haben sich im Vergleich zur Vor-Covid-Zeit mehr als verdoppelt, könnten jedoch durch mögliche US-Zölle und eine Yen-Aufwertung wieder unter Druck geraten. Auch binnenorientierte Branchen wie Gastronomie und Transport verzeichnen deutliche Zuwächse. Der Konsum steigt, der internationale Tourismus boomt und viele Dienstleister nutzen eine positive Lohn-Preis-Spirale, um steigende Arbeitskosten durch Preisanpassungen auszugleichen, ohne Nachfrage Einbußen fürchten zu müssen.

Im Gegensatz dazu geraten kleine und mittelständische Unternehmen, die rund 70% der japanischen Arbeitskräfte beschäftigen, zunehmend unter Druck. Ihre begrenzte Preissetzungsmacht, geringere Produktivität und knappen Margen erschweren die Anpassung an steigende Löhne. Seit Mitte 2022 nimmt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen unter KMU zu - wenn auch auf moderatem Niveau. Langfristig könnte diese Marktbereinigung jedoch zu einer effizienteren Ressourcenverteilung und einer Stärkung produktiverer Unternehmen führen.

Die gesamte Analyse und Grafiken zum Download: www.coface.de

Pressekontakt:

Coface, Niederlassung in Deutschland
Sebastian Knierim - Pressesprecher -
Tel. 06131/323-335
sebastian.knierim@coface.com
www.coface.de

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