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Lausitzer Rundschau: Merkel und das Profil der Union
Zu selten klare Kante

Cottbus (ots)

So einfach ist es nicht: Ein großes Interview in
der Haus-und-Hof-Boulevardzeitung wird nicht ausreichen, um zurück in
die Offensive zu kommen und um die vielen Kritiker zu besänftigen. 
Angela Merkels (CDU) Botschaft lautet: Zu mir und meinem Kurs gibt es
keine Alternative. Sie fordert Königinnentreue ein. Das ist legitim, 
gerade sechs Monate vor der Bundestagswahl. Doch welchen Kurs meint 
die Kanzlerin überhaupt? Alles wird nach der Krise wie früher und 
noch besser, sagt sie. Schöne, neue Welt. Eine politische Richtung, 
mit der sich etwas anfangen lässt, ist das nicht.
 Prinzipienreiterin ist Angela Merkel ohnehin nicht. Sie ist 
Pragmatikerin durch und durch. In der Krise ist fast alles erlaubt, 
auch das, was den ordnungspolitischen Grundsätzen der eigenen Partei 
widerspricht. Man kann diese Haltung angesichts der Dramatik der Lage
sogar für gut befinden und genau deshalb Merkel für die richtige 
Kanzlerin in schweren Zeiten halten. Denn Woche für Woche stellen 
sich der Regierung ja neue, kaum absehbar gewesene Herausforderungen,
auf die sie reagieren muss. Aber genau darin liegt zugleich Merkels 
großes Dilemma: Ihr flexibler, abwartender und analytischer 
Politikstil wirkt wie von selbst lavierend und profillos. Wer dabei 
zu selten klare Kanten zieht und keine Richtung vorgibt, macht sich 
automatisch angreifbar - und der macht dann auch dicke Fehler: Der 
verschreckt konservative Katholiken, in dem er plötzlich den Papst 
kritisiert. Der weiß früher oder später nicht mehr um 
innerparteiliche Befindlichkeiten, beispielsweise der Vertriebenen. 
Und der muss damit leben, dass weite Teile der Partei und ihrer 
Sympathisanten sich irgendwann fragen, wofür die Union und ihre 
Vorsitzende eigentlich noch stehen. Entfremdung nennt man so einen 
Prozess.
 Die Vorsitzende hat in der Vergangenheit mehr darauf geachtet, den 
Koalitionspartner als die eigenen Leute mitzunehmen. Für Merkel rächt
sich außerdem, dass sie nur wenig Bindung an ihre Partei hat. Sie 
setzt offenbar weiter auf Durchhalteparolen und hält es als 
Protestantin mit Luther: Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Doch 
das ist im Wahljahr eindeutig zu wenig. Wer Wahlen gewinnen will, 
muss beherzigen, dass Politik mehr ist als nur Pragmatismus und 
Nüchternheit. In der Krise benötigt auch die eigene Partei emotionale
Führung. Diese Sehnsucht hat die Kanzlerin bei ihrem Handeln bisher 
nicht ernst genug genommen. Mehr Leidenschaft ist jetzt nötig, wenn 
Merkel die Union aus dem Umfragtief herausführen will. Und mehr 
Klarheit und Kampfeslust. Moderatorin einer Großen Koalition zu sein,
zählt von nun an nicht mehr. Schließlich hat sich das Bündnis neulich
erst selbst für so gut wie beendet erklärt.

Pressekontakt:

Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481231
Fax: 0355/481247
lr@lr-online.de

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