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Angst vor zweitem Lockdown
Kommentar zu Marktreaktionen auf steigende Corona-Infektionen von Christopher Kalbhenn

Frankfurt (ots)

Mit Zuversicht haben die Aktienmärkte der Quartalsberichtssaison entgegengesehen. Die deutliche Erholung der Konjunktur und damit verbunden ein starker Anstieg der Unternehmensgewinne vom zweiten auf das dritte Quartal, so die Hoffnung, würden den Weg frei machen für einen neuen Aufwärtsschub an den Aktienmärkten. Die Hoffnung könnte sich zerschlagen. Denn die Corona-Pandemie meldet sich mit Macht als kursbewegender Faktor zurück. Die Vereinigten Staaten sind immer noch weit davon entfernt, das Infektionsgeschehen in den Griff zu kriegen, Europa ist von einer zweiten Welle erfasst worden und droht ebenfalls die Kontrolle zu verlieren.

Die rasant steigenden Infektionszahlen und die dadurch ausgelösten zunehmenden Mobilitätsbeschränkungen schüren an den Aktienmärkten Befürchtungen, dass ein neuer großer Lockdown mit verheerenden wirtschaftlichen Konsequenzen bevorstehen könnte, nicht zuletzt, weil der Winter günstige Bedingungen für die Ausbreitung des Virus schaffen wird. Manche Regionen in Europa haben bereits Auflagen, die nicht mehr weit von einem Lockdown entfernt sind, einige Branchen sind eigentlich schon so weit. Die Luft- und Reisebranche befinde sich faktisch in einem zweiten Lockdown, erklärte in der abgelaufenen Woche die Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen. In diesem Umfeld ist es kein Wunder, dass vor allem Touristik- und Freizeitaktien derzeit unter Druck geraten, nicht zuletzt eben Flughafentitel. Die Fraport-Aktie findet sich nach ihren jüngsten Verlusten in den Tiefenregionen wieder, die im Corona-Crash Mitte März erreicht worden. Das Gleiche gilt für Tui. Auch Airline-, Kreuzfahrt- und Hotelaktien mussten Federn lassen.

Steigen die Infektionszahlen weiterhin exponentiell an, was weitere Einschränkungen zur Folge haben würde, könnte es zu einem deutlichen Rückschlag in der Wirtschaft und an den Aktienmärkten kommen. "Die Zahl der Neuinfektionen steigt in den meisten europäischen Ländern schon seit einigen Wochen rapide an", so die DZ Bank. "Obwohl die Regierungen und die zuständigen Behörden rund ein halbes Jahr Zeit hatten, sich auf dieses Szenario vorzubereiten, wird ein Rezept, wie die Ausbreitung des Virus ohne einen generellen Lockdown in Grenzen gehalten werden kann, allerorten noch verzweifelt gesucht. Denn ein neuer Lockdown würde unweigerlich in eine weitere Rezession führen. Und deren Konsequenzen könnten gravierender sein als die bisher absehbaren Folgen der Frühjahrskrise.

Die Helaba verwies am Freitag darauf, dass die aktuellen rekordhohen Infektionszahlen mit denen der ersten Corona-Welle nur bedingt verglichen werden können, weil mittlerweile deutlich mehr getestet wird. Entscheidend sei jedoch, dass zur Eindämmung der Pandemie nun in vielen Ländern wieder vermehrt Restriktionen verhängt würden. "Auch wenn versucht wird, diese selektiver und zielgerichteter als im Frühjahr zu dosieren, könnte die in den vergangenen Monaten gewachsene Zuversicht auf eine sehr dynamische Erholung der Wirtschaft einen Dämpfer erhalten", so das Institut. Die Anleger seien bis zuletzt relativ entspannt mit diesem Thema umgegangen. Diese Gelassenheit werde in den kommenden Wochen jedoch möglicherweise auf die Probe gestellt werden.

Zwar ist die Pandemie nicht das einzige Thema, das die Aktienmärkte in den kommenden Wochen treiben wird. Aber sie ist nun ein deutlich negativerer Faktor geworden als noch vor einigen Wochen. Hinzu kommen mit dem Brexit und den US-Wahlen weitere potenzielle Belastungsfaktoren, die ebenfalls für Rückschläge sorgen könnten. Aus mittel- bis langfristiger Sicht würden sie aber wahrscheinlich günstige Einstiegsgelegenheiten bedeuten. Unabhängig vom jeweiligen Ergebnis wird in absehbarer Zeit geklärt sein, wer in den kommenden vier Jahren die USA führen wird, wann das nächste US-Fiskalpaket kommt beziehungsweise wie groß es ausfallen wird und wie die zukünftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien aussehen werden. Nicht zu vergessen, dass auf Sicht wahrscheinlich auch ein Corona-Impfstoff zur Verfügung stehen wird, auch wenn es in der Erprobung von Impfstoffen zuletzt Rückschläge gegeben hat.

Überdies sind die Haupttreiber der Aktienmärkte intakt. Die Finanzmärkte schwimmen in Liquidität, die angelegt werden muss. Gleichzeitig werden die extrem niedrigen Zinsen noch lange erhalten bleiben und damit auch der Mangel an Alternativen zu Dividendentiteln.

(Börsen-Zeitung, 17.10.2020)

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