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Börsen-Zeitung: Die Bärenmarktrally läuft aus, Kommentar zu den Aktienmärkten von Thorsten Kramer

Frankfurt (ots)

Stets findet Überraschung statt, da, wo man's
nicht erwartet hat." Das, was der Dichter Wilhelm Busch einst 
humoristisch aufspießte, besitzt im Rückblick auf die nun abgelaufene
Handelswoche an Europas Aktienmärkten durchaus seine Gültigkeit. 
Viele Marktanalysten hatten den Börsen vor Wochenfrist das Ende der 
vor knapp vier Wochen eingeleiteten Erholungsrally vorausgesagt. Und 
als die Indizes - belastet von Gewinnmitnahmen - gleich zum 
Wochenbeginn kräftig unter Druck gerieten, sahen sich diese Akteure 
bestätigt. Doch schon am darauffolgenden Handelstag wurden sie eines 
Besseren belehrt, als die Aktienkurse, beflügelt von unerwartet 
positiven US-Wirtschaftsdaten, erneut zu einem Höhenflug ansetzten.
Technisch betrachtet haben die Indizes nun noch weitere Luft nach 
oben. Der Dax beispielsweise, der am Freitag mit einem Wochenplus von
4,3% bei 4385 Zählern den Handel beendete, hat durchaus das 
Potenzial, die Rally noch bis auf 4700 Punkte auszuweiten. Und im 
EuroStoxx50, der aktuell bei 2199 Punkten notiert, könnte es noch bis
auf etwa 2350 Zähler aufwärts gehen. Anleger sollten sich darauf 
allerdings nicht verlassen, oder, um es noch einmal mit Busch zu 
sagen: "Wo man am meisten drauf erpicht, gerade das bekommt man 
nicht."
Viele schwache Daten
Für ein baldiges Ende der Bärenmarktrally jedenfalls sprechen 
insbesondere die nach wie vor überwiegend enttäuschenden 
Konjunkturdaten. So führte nicht zuletzt der US-Arbeitsmarktbericht 
am Freitag allen Investoren sehr eindrucksvoll vor Augen, dass die 
weltgrößte Volkswirtschaft weiter stark unter den Folgen der 
Finanzkrise leidet: Die Zahl der Beschäftigten fiel im März 
unerwartet deutlich um 663000; es war der fünfzehnte monatliche 
Rückgang in Folge. Und die Arbeitslosenquote stieg auf 8,5%, das 
höchste Niveau seit 26 Jahren.
Sorge bereiten fundamental orientierten Analysten auch der erneute
Rückgang der Stimmungsindikatoren sowie der Anstieg der 
Arbeitslosigkeit in Europa. Hinzu kommt, dass der Baltic Dry Index, 
der die internationalen Frachtraten von sogenannten 
Vorleistungsgütern misst und deshalb als aussagekräftiger 
Frühindikator für die globale Konjunktur gilt, weiter stark absackte.
Seit seinem Erholungshoch vom 10. März rutschte der Index damit um 
mehr als 30% ab. Eine echte Aufhellung der Konjunktur, so lässt sich 
zusammenfassen, ist somit weit und breit nicht in Sicht.
Gut vorstellbar ist, dass die negativen Aspekte schon in der neuen 
Handelswoche wieder stärker die Wahrnehmung der Marktteilnehmer 
beeinflussen. Die mit dem G 20-Gipfel in London verbundenen 
Hoffnungen sind Geschichte, und die Regierungen müssen nun daran 
arbeiten, die Beschlüsse umzusetzen. Hinzu kommt, dass der Plan der 
US-Regierung zur Stabilisierung des Finanzsystems in den Vereinigten 
Staaten nach Überzeugung von Analysten noch immer Fragen offen lässt.
Dies stellt zumindest weitere starke Kurssprünge der Bankenwerte, die
zuletzt die Erholung angeführt hatten, in Frage.
Gewinnrevisionen stehen an
Hinzu kommt, dass die Anleger allmählich ihren Fokus auf die 
anstehende Berichtssaison zum abgelaufenen ersten Quartal des 
Geschäftsjahres 2009 richten; und sie stellen sich auf viele 
Enttäuschungen ein. So sind die Gewinnprognosen für die 30 
Dax-Unternehmen für 2009 bereits stark gesunken, gleichwohl rechnet 
die Commerzbank damit, dass die Erwartungen noch immer um rund 30% zu
hoch angesiedelt sind.
Selbst wenn einige Strategen schon von erstklassigen Gelegenheiten
für langfristig operierende Anleger sprechen, scheint es angesichts 
der aktuellen Indexniveaus und der trüben fundamentalen Perspektiven 
verfrüht, nun in größerem Umfang in den Markt einzusteigen. Die 
Indizes werden auch wieder schwächere Tage sehen und sehr 
wahrscheinlich die zurückliegenden Tiefstände aus der zweiten 
März-Woche testen. Vorher ist die Bodenbildung immer noch nicht 
abgeschlossen. Die längerfristig ausgerichteten Akteure sollten 
nichts überstürzen und diese Bodenbildung in Ruhe abwarten, um 
gegebenenfalls dann sorgsam zu investieren. Oder, um noch einmal 
Busch zu zitieren: "Lass ihn im Galoppe tollen, reite ruhig deinen 
Trab! Ein zu ungestümes Wollen wirft von selbst den Reiter ab."

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion
Weitere Informationen: www.boersen-zeitung.de
Telefon: 069--2732-0

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