All Stories
Follow
Subscribe to Börsen-Zeitung

Börsen-Zeitung

Börsen-Zeitung: Zeitenwende, Kommentar zum Quartalsergebnis der Deutschen Bank von Bernd Wittkowski

Frankfurt (ots)

Die Exegese des Quartalsberichts der Deutschen
Bank erfordert eine Vorbemerkung: Rechnungslegung von Banken, die 
externe Analyse einzelner Zahlenwerke, vor allem aber die 
vergleichende Bewertung von Zwischenabschlüssen auf internationaler 
und nun sogar schon auf nationaler Ebene werden zunehmend 
Glückssache. Die Postbank etwa veröffentlichte am Montag Zahlen für 
das dritte Quartal nach anderen Regeln als die Deutsche Bank drei 
Tage später für denselben Zeitabschnitt. Den Unterschied machte eine 
zwischendrin - am zuständigen internationalen Gremium vorbei - 
erfolgte Klarstellung des Instituts der Wirtschaftsprüfer.
Die Gegenüberstellung der Zahlen deutscher Banken und der 
Ergebnisse von US-Banken liefe umso mehr auf den Vergleich von Äpfeln
und Birnen hinaus - trotz angeblich über den Atlantik hinweg 
konvergierender Bilanzierungssysteme. Derweil wird in Brüssel im 
Hauruckverfahren schon eine weitere Änderung der Fair-Value-Methodik 
vorbereitet (vgl. BZ vom 30.Oktober). Wenn Anfang nächsten Jahres für
2008 Bilanz gezogen wird, so steht zu vermuten, werden die dann 
Neureichen des globalen Kreditgewerbes Mühe kriegen, vor ihren 
heutigen Rettern die explodierenden Gewinne zu verstecken, und in der
Analystenzunft wird ein altes Thema fröhliche Urständ feiern: die 
Überkapitalisierung der Banken. Warum eigentlich ist man nicht gleich
beim HGB geblieben?
Bilanzierungstohuwabohu
Aus aktuellem Anlass - die Zahlen der Deutschen Bank - seien nur 
zwei Belege für das Bilanzierungstohuwabohu genannt: Dank der neuen 
Möglichkeiten zur Umklassifizierung bestimmter Vermögenswerte, die 
nun folglich nicht mehr zu ihrem (dezimierten) Zeitwert im Zahlenwerk
stehen, blieb dem Branchenprimus eine ergebniswirksame Belastung von 
825 Mill. Euro erspart. Unterm Strich hätte also sonst ein spürbarer 
Verlust gestanden anstelle der "schwarzen Null" (die sich bei 
Bereinigung gemäß Zielgrößendefinition für die Eigenkapitalrendite 
ohnehin ins Rötliche färbt). Obendrein hätten nach den bisherigen 
Regeln Bewertungsverluste von 649 Mill. Euro die Eigenkapitalposition
geschwächt.
Zweites Beispiel: Die Deutsche Bank hat sich durch weitestgehenden
Verzicht auf die Fair-Value-Option für eigene Verbindlichkeiten im 
bisherigen Jahresverlauf einen Mehrgewinn von 6 Mrd. Euro und die 
damit verbundenen Chancen zur Kapitalstärkung entgehen lassen - 
klugerweise. Namhafte internationale Konkurrenten haben aus dieser 
Option seit 2007 Vorteile von 2 Mrd. bis fast 6 Mrd. Euro gezogen. 
Diese Gewinne sind freilich nicht nachhaltiger Natur, die Deutsche 
Bank erspart sich mithin auch spätere Verluste, die andere werden 
ausweisen müssen, sollte sich die Lage an den Märkten irgendwann 
einmal normalisieren.
Wie das Gesamturteil über den Zwischenbericht des Hauses Ackermann
ausfällt, hängt mehr denn je vom Blickwinkel bzw. vom jeweiligen 
Vergleichsmaßstab ab. Nimmt man als Benchmark die Deutsche Bank 
früherer Jahre, dann ist der blaue Geldkonzern nur noch ein Schatten 
seiner selbst. Aber wie könnte es anders sein, da wir zurzeit das 
sechste Quartal einer säkularen Weltfinanzkrise erleben? 
Aussagekräftiger erscheint daher der Vergleich mit maßgeblichen 
Wettbewerbern, und aus dieser Perspektive schlägt sich die Deutsche -
zumal angesichts ihrer stark kapitalmarktexponierten Ausrichtung - 
bis dato sehr beeindruckend.
Kürzerer Hebel
Belastungen von 8,5 Mrd. Euro hat die Bank seit Beginn der Krise 
weggesteckt und in dieser Zeit dennoch einen Jahresüberschuss von 3,5
Mrd. Euro erwirtschaftet. Die Liquiditätssituation erscheint mehr als
auskömmlich, die Kapitalausstattung mit einer Kernquote über 10% 
komfortabel und der Risikoappetit keineswegs maßlos - auch wenn 
manche Analysten offenbar nicht begreifen wollen, dass die 
risikogewichteten Aktiva eine vernünftige, in der jedenfalls insoweit
überzeugenden Baseler Logik liegende Bemessungsgrundlage sind.
Dennoch muss und wird das Institut auch den auf die Bilanz 
bezogenen Hebel ("Leverage Ratio") weiter beträchtlich verkürzen, 
indem es ertragsschwache Aktivitäten zurückfährt oder aufgibt. Das 
braucht nicht zulasten der Finanzierung der deutschen Wirtschaft zu 
gehen - da gibt es andere Ansatzpunkte wie etwa das Repobuch.
All dessen ungeachtet stellt sich die grundsätzliche Frage, womit 
Banken in Zukunft Geld verdienen wollen. Der Zwischenbericht der 
Deutschen macht die insoweit gerade stattfindende Zeitenwende 
beklemmend-desillusionierend anschaulich: Jedenfalls für die Branche 
insgesamt deuten Krisenfolgen wie neue Regulierung, verändertes 
Kunden- und Investorenverhalten, geschärftes Risikobewusstsein auf 
allen Seiten, nachlassende Emissionstätigkeit an den Kapitalmärkten, 
die verminderte Kreditvergabefähigkeit der Banken et cetera über 
vorübergehende konjunkturelle Effekte hinaus auf eine vor allem auch 
strukturell spürbar sinkende Rentabilität hin.
Immerhin relativ gute Aussichten bedeutet das für Banken, die auch
auf halbwegs ertragsstabilen Geschäftsfeldern über starke 
Marktpositionen verfügen oder diese sogar ausbauen - und die bei den 
volatileren Aktivitäten in Zukunft auf weniger Konkurrenten treffen 
werden.

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0

Original content of: Börsen-Zeitung, transmitted by news aktuell

More stories: Börsen-Zeitung
More stories: Börsen-Zeitung