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Psychisch gesund durch die Sommerferien: DZPG warnt vor zu viel kindlichem Medienkonsum

Psychisch gesund durch die Sommerferien: DZPG warnt vor zu viel kindlichem Medienkonsum
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Psychisch gesund durch die Sommerferien:

DZPG warnt vor zu viel kindlichem Medienkonsum

Ferienzeit – endlich mehr Zeit am Bildschirm? Forschende des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit (DZPG) warnen: Übermäßiger Medienkonsum kann die Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen gefährden, dafür gibt es klare Anhaltspunkte. Wie sich Gaming, Streaming und Social Media auf die Entwicklung auswirken, ist im Detail noch unzureichend erforscht – Strategien zum Schutz fehlen daher oft. Expertinnen des DZPG geben jedoch praktische Hinweise, wie Eltern die Bildschirmzeit ihrer Kinder in den Ferien gesund gestalten können.

Historische Parallele: Die Wirkung von Tabak

Kein Stundenplan, keine Prüfungen, kein Druck, mehr Zeit für Freunde und stundenlanges Chillen zwischen Badesee und Baumhaus: Die Sommerferien sind für Kinder und Jugendliche eine Zeit zum Seele auftanken. Doch Forschende des DZPG warnen: Smartphone, Tablet und Spielkonsole können schnell zum Hauptprogrammpunkt werden – zulasten von Schlaf, Bewegung und echten Sozialkontakten. Prof. Dr. Silvia Schneider, Sprecherin des DZPG und Professorin für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie an der Ruhr-Universität Bochum, sieht hier noch erheblichen Forschungsbedarf: „Weltweit lässt sich die zahlenmäßige Parallelentwicklung von Zunahme des Medienkonsums und der von affektiven Störungen wie Angst oder Depressionen bei Kindern und Jugendlichen beobachten.“ Allerdings ist dieser Zusammenhang wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt, erklärt DZPG-Sprecher Prof. Peter Falkai vom Standort München-Augsburg: „Es wäre unzulässig, diese Korrelation als eindeutige Kausalität zu deuten.“ Hier müsse die Wissenschaft noch wichtige Arbeit leisten. Ein Grund, den Medienkonsum in Familien unreguliert zu lassen, sei das aber nicht. Schneider zieht einen Vergleich zu früheren Herausforderungen an Forschung und Gesellschaft: „Beim Tabakkonsum hat es Jahre gedauert, bis der wissenschaftliche Beweis für gesundheitliche Schäden anerkannt war, obwohl es früh entsprechende Hinweise gab. Beim Medienkonsum stehen wir an einem ähnlichen Punkt, und deshalb ist Vorsicht geboten.“

Soziale Unterschiede nicht unterschätzen

Schneider weist zudem darauf hin, dass nicht nur die Bildschirmzeit, sondern auch der Content von großer Bedeutung ist. Studien1 zeigen: Kinder aus Familien mit höherem Bildungshintergrund, die zwar häufiger und früher über Smartphones verfügten, setzen digitale Medien gezielter ein – zum Beispiel für Lern-Apps oder Sprachprogramme. Das sei ein qualitativer Unterschied im Vergleich zu anderen Nutzungen: „Stundenlanges Scrollen auf TikTok oder impulsives Gaming fördert keine sozialen oder kognitiven Fähigkeiten“, erklärt sie. „Das bedeutet: Wir müssen auch Chancen- und Bildungsgerechtigkeit in den Blick nehmen, wenn wir über gesunde Mediennutzung sprechen.“

Alternativen schaffen statt nur verbieten

Dr. Isabel Brandhorst, Leiterin der Forschungsgruppe Internetnutzungsstörungen am DZPG-Standort Tübingen, beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit den Mechanismen hinter problematischem Medienverhalten. Ihr Fazit lautet: „Jede Stunde vor dem Bildschirm fehlt für Erlebnisse, soziale Beziehungen und Entwicklung.“ Allein deshalb müsse die Bildschirmzeit limitiert werden. Dabei sei es wichtig, Kinder nicht direkt nach dem Abschalten der Geräte mit Langeweile zu konfrontieren. „Attraktive Alternativen sind entscheidend, damit das Digitale nicht übermächtig wird.“

Für Eltern ist diese Aufgabe nicht immer leicht zu bewältigen. Brandhorst hat deshalb das ISES! Kids Onlinetraining entwickelt, das Eltern kostenlos und anonym absolvieren können. Es bietet praxisnahe Hilfestellungen für Regeln, die ständige Machtkonflikte verhindern. „Es geht nicht nur darum, dass Kinder ihr Verhalten ändern – auch der Familienalltag muss so strukturiert sein, dass gesunder Medienkonsum überhaupt möglich wird.“

Ferienbetreuung sollte handyfreie Zone sein

Prof. Dr. Hanna Christiansen, Klinische Kinder- und Jugendpsychologin am DZPG-Standort Bochum-Marburg, sieht unter diesen Voraussetzungen in der Ferienzeit eine wertvolle Gelegenheit für Entlastung. „Die Schulzeit ist für viele Jugendliche enorm getaktet und stressig. Schon das Ausschlafen kann eine echte psychische Entlastung sein“, erklärt sie. Doch gerade weil der Druck wegfällt, ist es laut Christiansen wichtig, Heranwachsende mit dieser Freiheit nicht einfach sich selbst zu überlassen. Dabei verweist die Forscherin auf Schulen als positives Vorbild: „Immer mehr Schulen setzen handyfreie Zeiten konsequent durch. Das sollte auch in der Ferienbetreuung sowie zu Hause Standard sein.“

Das Real Life muss attraktiver bleiben

Alle DZPG-Experten sind sich einig: Kinder und Jugendliche brauchen einfache, nachvollziehbare Regeln und eine aktive Gestaltung des Ferienalltags, der das „echte Leben“ attraktiv macht – mit Zeit für Bewegung, Kreativität, Freundschaften und Ruhe.

1 https://mpfs.de/studien/kim

Service und Links für Eltern

ISES! Kids Onlinetraining (kostenlos & anonym)

Online-Angebot für Eltern von Kindern von 6–12 Jahre

5 Module: Digitale Medien im Familienalltag, Medienregeln, Sinnvolle Konsequenzen, Eltern als Vorbild, Sucht verstehen und vorbeugen

Medien kindersicher: Portal zum technischen Jugendmedienschutz

Öffentlich geförderte Seite mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen für Smartphones, Tablets, Konsolen, Router

Google Family Link

Kostenlose App zur Zeitkontrolle und Inhaltsfilterung auf Smartphones

Schau hin! Medienkurse für Eltern

Eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, von ARD und ZDF sowie der AOK. Der Medienratgeber für Familien unterstützt Eltern und Erziehende seit 2003 dabei, ihre Kinder im Umgang mit Medien zu stärken.

Smarter Start ab 14

Die Elterninitiative setzt sich für eine smartphonefreie Kindheit ein und vermittelt Wissen, wie das umsetzbar ist.

klicksafe

Die Website ist Bestandteil des deutschen Awareness Centres klicksafe im Digital Europe Programm (DIGITAL) der Europäischen Union für mehr Sicherheit im Internet und bietet zahlreiche Informationen zum Umgang mit Medien.

Nummer gegen Kummer (kostenlos & anonym)

116 111 (Kinder- und Jugendtelefon)

0800 111 0550 (Elterntelefon)

Über das DZPG

Seit Mai 2023 arbeiten im Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG) Expertinnen und Experten daran, durch gemeinsame Forschung die psychische Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern und psychische Erkrankungen zu entstigmatisieren. An sechs Standorten in Deutschland wirken hierfür Forscherinnen und Kliniker gemeinsam mit Expertinnen aus Erfahrung, also Betroffenen und ihnen Nahestehenden, sowie internationalen Wissenschaftlern zusammen. Unter www.dzpg.org finden Interessierte Informationen zur Organisation, zu Forschungsprojekten und Zielen sowie informative Texte und hilfreiche Links rund um das Thema psychische Gesundheit.

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Pressekontakt: 
MASTERMEDIA GmbH
Daniela Clément
Tel.: 0177 3867126 
presse@dzpg.org
www.dzpg.org
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