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Ulrich Seidl Filmproduktion

SPARTA — Eine Stellungnahme von Ulrich Seidl zu SPIEGEL-Artikel

Wien (ots)

Das deutsche Wochenmagazin DER SPIEGEL hat in seiner jüngsten Ausgabe schwere Vorwürfe gegen mich, meine Arbeitsweise und meinen Spielfilm SPARTA veröffentlicht. In dem am 2. September publizierten Text werden unzutreffende Darstellungen, Gerüchte oder aus dem Kontext gerissene Vorkommnisse am Set von SPARTA zu einem in keiner Weise den Tatsachen entsprechenden Zerrbild montiert; grundsätzlich werden, ohne dass die Reporter*innen näher auf den Film selbst eingehen, meine Arbeitsweise diffamiert und mir Intentionen unterstellt, die weiter weg von der Wirklichkeit gar nicht sein könnten. Das kann ich nicht unwidersprochen stehen lassen.

Basierend auf wahren Begebenheiten erzählt der Film von dem Österreicher Ewald, der vor einigen Jahren nach Rumänien gezogen ist. In seinen Vierzigern sucht er einen Neuanfang, verlässt seine Freundin und zieht ins Hinterland. Mit den Kindern und Jugendlichen aus der Gegend gestaltet er eine verlassene Schule in eine Festung um. Die Buben genießen eine unbeschwerte Existenz mit Sport und Spiel. Allerdings muss Ewald sich einer Wahrheit stellen, die er lange verdrängt hat. Weder die Kinder noch die Außenwelt, die ihn umgibt, weiß etwas davon. Denn innerlich und insgeheim kämpft er gegen seine pädophile Neigung an.

Immer schon versuche ich in meiner Arbeit, das Widersprüchliche in unserem Handeln und Denken als Essenz des Menschseins zu ergründen. Mir ist bewusst, dass meine künstlerische Weltsicht, und wie ich sie in meinen Filmen ausdrücke, nicht zuletzt in krassem Gegensatz steht zu einem gegenwärtigen Zeitgeist, der ein verkürztes, vielfach kontextloses „Entweder – Oder“ verlangt, wo ein „Sowohl – Als auch“ die menschliche Erfahrung deutlich besser beschreibt.

In allen meinen Filmen, in meinem gesamten künstlerischen Werk verlange ich nach Empathie für die Angeschlagenen und Abgestürzten, für die Abgedrängten und Geächteten: Ich stelle sie nicht an den (moralischen) Pranger, sondern fordere dazu auf, sie als komplexe und auch widersprüchliche Menschen wahrzunehmen.

Die daraus sich ergebenden Ambivalenzen zwischen Fürsorge und Missbrauch zu erkennen und zu beschreiben, hinzuschauen, anstatt weg zu sehen und sie damit auszublenden – darin sehe ich eine wesentliche Verantwortung – als Künstler und als Mensch. Meine Filme entstehen nicht, indem ich – wie der Artikel im SPIEGEL nahelegt – Darsteller*innen manipuliere, falsch informiere oder gar missbrauche. Im Gegenteil: Ohne das Vertrauensverhältnis, das wir über Wochen und Monate aufbauen, wären die langen Drehzeiträume meiner Filme gar nicht denkbar. Ich habe größten Respekt vor allen Darsteller*innen und niemals würde ich Entscheidungen treffen, die ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden in irgendeiner Art und Weise gefährden.

Im Fall von SPARTA erstreckten sich die Dreharbeiten über mehr als ein Jahr. Hätten die Eltern, wie der SPIEGEL behauptet, Einwände gegen die Drehabläufe oder die Art, wie wir mit ihren Kindern umgegangen sind, gehabt, oder hätten sich die Kinder mit uns nicht wohl gefühlt, wären sie wohl nicht über diesen langen Zeitraum in den Etappen eines Winter- und Sommerdrehs dabei geblieben. Wie alle anderen Darsteller wurden selbstverständlich auch die Kinder und Jugendliche von mir niemals gedrängt, vor der Kamera Dinge zu tun, die sie nicht tun wollten.

Die jugendlichen Darsteller*innen waren durchgehend betreut. Neben dem Set gab es Ruhe- und Spielräume, wie wir das auch schon bei früheren Filmen ähnlich organisiert haben. Dort verbrachten sie die Zeit zwischen den Drehs, begleitet von pädagogisch geschultem Personal.

Anders als im SPIEGEL behauptet, habe ich auch in vielen Einzelgesprächen gemeinsam mit einer Übersetzerin die Eltern vor den Dreharbeiten über alle wesentlichen Inhalte des Films unterrichtet. Dazu gehört auch die Ambivalenz der österreichischen Hauptfigur Ewald und sein Verhältnis zu Kindern. Auch frage ich mich welchen Inhalt von SPARTA die SPIEGEL-Reporter*innen zu kennen meinen und den Eltern erzählt haben? Sie haben bei uns nicht um das von mir und Veronika Franz verfasste Drehbuch angefragt, welches sich ohnehin in der Zusammenarbeit mit den Darstellern während des Drehs stetig verändert und als Leitfaden zur Improvisation zu verstehen ist. Sie haben auch nicht um eine Sichtung des Films gebeten.

Es kann sich also nur um Teilinformationen handeln, mit denen die rumänischen Eltern vom SPIEGEL konfrontiert wurden. Wurde ihnen Angst gemacht, der Film könnte pädophile Sexszenen beinhalten? Das tut er nicht. Es ist kein Kind nackt oder in einer sexualisierten Situationen, Pose oder Kontext gedreht worden. Solche Szenen waren niemals meine Intention und wurden auch nicht gedreht. Nie haben wir beim Dreh die Grenzen des ethisch und moralisch Gebotenen überschritten.

Einige Tage nach Drehschluss im Sommer 2019 habe ich alle Kinder und deren Eltern zuhause besucht, um mich für ihre Beteiligung am Film zu bedanken. Niemand hat eine Beschwerde, ein Unbehagen oder einen Vorwurf geäußert. Ich wünsche mir, dass SPARTA, wenn der Film erst einmal im Kino ist, diese von Außen und erst im Zuge der Berichterstattung entstandenen Vorbehalte ausräumen kann.

Ulrich Seidl

Pressekontakt:

vielseitig ||| kommunikation
Valerie Besl
+43 664 833 9266, valerie.besl@vielseitig.co.at

www.ulrichseidl.com

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