Technische Universität München
Exotischer Aggregatzustand auf einem Quantenprozessor erstmals realisiert
TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN
PRESSEMITTEILUNG
Neue Methode zur Erforschung von Materiezuständen im Nicht-Gleichgewicht
Exotischer Aggregatzustand auf einem Quantenprozessor erstmals realisiert
- Zusammenarbeit von TUM, Princeton und Google Quantum AI
- Algorithmus zur Untersuchung verborgener Eigenschaften
- Türöffner für künftige Quantensimulationen und Technologien
Aggregatzustände sind die grundlegenden Formen, die Materie annehmen kann – wie Wasser in flüssiger Form oder als Eis. Normalerweise existieren diese Zustände unter Bedingungen, bei denen das System stabil ist. Doch es gibt theoretisch auch Zustände, die nur entstehen, wenn ein System aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Eine im Magazin Nature veröffentlichte Studie zeigt nun, dass sich solche exotischen Materiezustände in Quantencomputern tatsächlich erzeugen lassen.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Aggregatzuständen werden die sogenannten Nicht-Gleichgewichts-Quantenphasen durch ihre dynamischen und zeitabhängigen Eigenschaften definiert – ein Verhalten, das durch die traditionelle Gleichgewichtsthermodynamik nicht erfasst werden kann. Eine besonders reichhaltige Klasse von Nicht-Gleichgewichts-Zuständen tritt in Floquet-Systemen auf – Quantensystemen, die periodisch in der Zeit verändert werden. Dieses rhythmische Anregen kann völlig neue Formen von Ordnung hervorbringen, die unter Gleichgewichtsbedingungen unmöglich sind, und dabei Phänomene offenbaren, die grundsätzlich außerhalb der Reichweite herkömmlicher Aggregatzustände liegen.
Unter Verwendung eines Quantenprozessors mit 58 supraleitenden Qubits realisierte ein Team der Technischen Universität München (TUM), der Princeton University und von Google Quantum AI einen Floquet-topologisch geordneten Zustand – einen Aggregatzustand, der in der Theorie möglich sein sollte, jedoch bisher nie beobachtet worden war. Sie bildeten die charakteristischen gerichteten Bewegungen am Rand direkt ab und entwickelten einen neuartigen interferometrischen Algorithmus, um die zugrunde liegenden topologischen Eigenschaften des Systems zu untersuchen. Dadurch konnten sie die dynamische „Transmutation“ exotischer Teilchen beobachten – eine Eigenschaft, die für diese exotischen Quantenzustände theoretisch vorhergesagt worden war.
Quantencomputer als Labor
„Die Simulation hochgradig verschränkter Nicht-Gleichgewichtsphasen stellt klassische Computer vor nahezu unlösbare Probleme“, sagt Erstautorin Melissa Will, Doktorandin am Physik-Department der TUM School of Natural Sciences. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Quantenprozessoren nicht nur Rechenmaschinen sind – sie sind auch leistungsstarke experimentelle Plattformen zur Entdeckung und Untersuchung völlig neuer Aggregatzustände.“
Diese Arbeit öffnet die Tür zu einer neuen Ära der Quantensimulation, in der Quantencomputer zu Laboren werden, um den großen und weitgehend unerforschten Bereich der Nicht-Gleichgewichts-Quantenmaterie zu studieren. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse könnten weitreichende Auswirkungen haben – von einem tieferen Verständnis der fundamentalen Physik bis hin zur Entwicklung der nächsten Generation von Quantentechnologien.
Publikation:
M. Will, T. A. Cochran et al: Probing Non-Equilibrium Topological Order on a Quantum Processor, veröffentlicht in: Nature 10 September 2025, DOI 10.1038/s41586-025-09456-3 www.nature.com/articles/s41586-025-09456-3
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