Eine Buchbesprechung des Martin-Heidegger-Romans von Markus Herrmann
Der Titel des Werks lautet "Heimlicher König im Reich des Denkens", Untertitel: "Der Philosoph Martin Heidegger aus der Sicht seines Bruders Fritz".
Martin Heidegger ist 1889 in Meßkirch als Sohn eines Mesners (Küsters) und Küfners geboren und lebte bis 1976. Zu erwähnen ist zunächst, dass der ortsansässige katholische Pfarrer die Begabung Martins früh erkannte. Der Junge erhielt damit neben der Elementarschule auch Lateinuntericht. Somit war der weitere Bildungsweg vorgezeichnet. Im Jahre 1909 machte er Abitur, studierte danach zwei Semester Theologie in Freiburg, dann aber folgte die Hinwendung zu Mathematik, Naturwissenschaften und Philosophie. Er war über Sekundärliteratur der Ontologie (Lehre vom Sein) des Aristoteles begegnet, was ihn zur Phänomenologie führte. Nach seiner Habilitation (1915) über den Franziskanertheologen Duns Scotus erhielt er 1919 eine Stelle als Assistent bei Edmund Husserl, bis er 1924 nach Marburg wechselte. Dazwischen liegt noch seine Heirat 1917.
Heideggers Hauptwerk "Sein und Zeit" erscheint 1927 und wird ein internationaler Erfolg. Manche Kritiker sehen es als das bedeutendste philosophische Werk des 20. Jahrhunderts an. 1933, nach Hitlers Machtergreifung, lässt sich der inzwischen nach Freiburg Zurückgekehrte zum Rektor der dortigen Universität sowie als Parteimitglied der NSDAP ernennen beziehungsweise aufnehmen. Nach knapp einem Jahr tritt er zwar von diesem Amt wieder zurück, bleibt jedoch bis Kriegsende Mitglied der NSDAP.
Und genau hier beginnen die endlos viele Fragen und Zweifel an Heidegger und seiner bislang so edlen Gesinnung, denen unter anderem sein ihm ansonsten sehr wohlgesonnener Bruder Fritz nachgeht. Manche Beziehungen zu geistesverwandten Kollegen und Freunden zerbrechen in dieser Zeit. Markus Herrmanns Buch, das all diesen Fragen nachgeht, zeichnet sich gerade in diesem Teil und Abschnitt des Lebens von Martin Heidegger aus. Ja, es versucht, seine tieferen Beweggründe, Motive und Antriebe zu scheiden und zu klären.
Nach dem Krieg wird Heidegger entnazifiziert und als ´Mitläufer`eingestuft. Die Behörden brummen ihm einige Jahre öffentliches Lehrverbot auf, aber Anfang der 1950er Jahre darf er wieder in vollem Umfange seiner früheren Lehrtätigkeit nachgehen.
Ob er nun, wie Günter Grass behauptet, ein echter Nazi war oder nicht, bleibt ungeklärt. Martin Heidegger selbst bezeichnet sein Mitmachen hernach als "Dummheit", ohne sich dieser seiner Irrtümer jedoch je öffentlich zu bezichtigen. Sein Bruder Fritz, der diese Fehltritte Martins ebenfalls nicht gutheißen kann, glaubt allerdings, dass er in Verkennung des primitiven, grobschlächtigen Größenwahns der Nationalsozialisten sich auch selbst nach noch mehr Ruhm und Ehre als des herausragendsten Denkers seiner Zeit gesehnt hätte. Die Berühmtheit durch "Sein und Zeit" war ihm womöglich zu Kopf gestiegen. Nicht zuletzt hätte Martin laut Fritz wohl die ´universitäre Idee`und damit auch den Nationalsozialismus hoffähig machen wollen, was beides ja grüdlich misslungen ist. Hierbei scheint eine vermessene Selbstüberschätzung Martin Heideggers mit im Spiel gewesen zu sein, fast so, als hätte er Hitler & Co ´domestizieren`und an unser abendländisches Kulturerbe rückbinden wollen. Oder hatte bei Heidegger vielleicht ganz einfach eine gute Portion Opportunismus mitgespielt? Das lässt sich aus heutiger Sicht kaum mit Gewissheit feststellen. Die Sicherheit, mit der Grass sein Urteil über Martin Heidegger fällt, scheint mir gerade bei diesem Schriftsteller aus bekannten Gründen mehr als fraglich.
Bei allen Schwierigkeiten, die sich mit Heidegger als Mensch und Zeitgenossen, der während des "Tausendjährigen Reichs" eine recht klägliche Figur abgegeben hatte, auftun, darf man nicht seine Bedeutung und Größe als maßgeblicher Denker vergessen. Martin Heidegger stellte von Anfang an die Frage nach dem Sein, die in dieser Form in der Philosophie noch nie gestellt worden war beziehungsweise ist. Die von ihm bewunderten Griechen hatten nach dem Seienden gefragt, den Dingen und Urstoffen, aber nie nach dem, was diesen zugrunde liegt. Es gab manche bruchstückhaften Aussagen wie diejenige Heraklits, dass alles im Fliessen oder im Fluss und in Bewegung sei. Und so widmet Heidegger sein ganzes Leben der Frage nach dem Sein, nach seinen Bezügen und Formen und auch dem Sinn dieses Seins oder Lebens. Heidegger war kein Kirchenchrist, aber zumindets der gereifte Philosoph war ein Gottsucher, der diesem näher zu kommen versucht hat.
Markus Herrmann spürt in seinem Werk "Heimlicher König im Reich des Denkens" diesen nicht immer leicht zu verstehenden Fragen und Bezügen nach und das möchte ich hiermit deutlich bekennen: Dem interessierten Leser, der sich der Mühe des eigenen Denkens nicht verschließt, werden sich neue Welten öffnen für die ihn und uns alle umgebende Wirklichkeit. Es lohnt sich allemal für uns heutige, postmodernen und wie oft auch entwurzelte Kreaturen, wenn wir unsere Seinsvergessenheit einmal ablegen und tiefer eintauchen in all das, was uns umgibt, an dem ja auch wir im vollsten Sinne als Menschen und "Krone der Schöpfung" teilhaben.
Markus Herrmann Heidegger-Roman ist für alle, die nachdenken wollen, auch für noch sehr junge Menschen geeignet. Nichts aber für solche, die lediglich Unterhaltung oder Action suchen. Man muss schon bereit sein, ein wenig nachzudenken, aber dann wird der Leser reich und nachhaltig belohnt.
Das Buch von Markus Herrmann ist deswegen der Gattung eines Romans zuzuschlagen, weil Fritz Heidegger, der Bruder des großen Philosophen, "als Ich-Erzähler einen fiktiven Bericht über seinen berühmten Bruder schreibt." (Seite 231) Gleichwohl wurden die Fakten des Werks gründlich recherchiert und als authentisch befunden. Dennoch hat Markus Herrmann manche Szene beziehungsweise Begegungen Martin Heideggers frei ausgestaltet oder gar erfunden. Näherhin erwähnt er manche Einzelheiten zum Gebrauch seiner dichterischen Freiheit auf Seite 231. Allerdings bleibt die für den Philosophen so wichtige, heikle wie zugleich kritisch zu hinterfragende NS-Zeit von Erfindung ausgenommen.
Die Buchbesprechung stammt von Hubert Michelis, Freier Schriftsteller
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