Europa im Hitzekollaps: Wie sich Städte vor extremer Hitze schützen können
Stuttgart (ots)
Kaum ist der Sommer da, jagt eine Hitzewelle die nächste: Laut aktuellen Wetterprognosen steht Europa wieder ein Hitzesommer mit Temperaturrekorden von bis zu 40 Grad bevor. Bereits 2024 erlebte Europa das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen1. Besonders hart trifft es dabei die dicht bebauten Innenstädte, die sich durch versiegelte Flächen und fehlende Verschattung rasch aufheizen. Das wenige Stadtgrün reicht oft nicht aus, um die Wärme zu regulieren - mit der Folge, dass sich die Hitze anstaut. "In sogenannten Tropennächten, wenn die Temperaturen nicht mehr unter 20 Grad sinken und sich Wärmeinseln bilden, sorgt selbst nächtliches Lüften kaum noch für Abkühlung. Daher sind passive Kühlstrategien wie Außenverschattung, begrünte Fassaden und Dächer sowie speicherwirksame Baumaterialien entscheidend, um die Aufenthaltsbereiche angenehm temperiert zu halten", erklärt Gregor Grassl, Associate Partner und Leiter für grüne Stadtentwicklung beim Beratungsunternehmen Drees & Sommer. Auch auf Bundesebene steht der Klimawandel im Fokus: Um die oftmals hohen Kosten für diese kommunalen Maßnahmen abzufedern, öffnete das Bundesumweltministerium am 15. Mai ein neues Förderfenster für Städte und Kommunen.
Glühender Boden, stickige Luft und drückende Hitze: Längst ist der Sommer in Großstädten und urbanen Räumen kein Vergnügen mehr, sondern Belastung pur. Der Klimawandel und die extremen Temperaturen schaden dem Stadtklima und beeinträchtigen erheblich die Lebensqualität. Ganz aussichtslos ist die Lage jedoch nicht: Mit gezielten Maßnahmen können Städte und Kommunen die Hitzebelastung in urbanen Räumen verringern und ihre Resilienz gegenüber den Folgen der Klimakrise stärken. Wie das besonders wirksam umgesetzt werden kann, zeigen beispielsweise die Städte Düren, Dormagen und Rastatt, die Drees & Sommer bereits bei der Anpassung an Extremwetter und nachhaltige Stadtgestaltung begleitet hat. Auf Basis ihrer Erfahrungen aus diesen und weiteren Klimaanpassungsprojekten haben die Stadtentwicklungsexperten von Drees & Sommer folgende wichtige Empfehlungen gegen städtische Wärmeinseln abgeleitet:
1. Schattenspender bereitstellen
Die einfachste und kostengünstigste Methode, um Straßen und Freiflächen vor der Hitze zu schützen, sind Bäume oder andere Schattenelemente. Simple Lösungen wie Haltestellendächer oder Bänke im Schatten ermöglichen es den Menschen, sich bei hoher Anstrengung auszuruhen. "Der Baumbestand in Städten ist enorm wichtig. Bäume spenden nicht nur Schatten, sie kühlen auch die Luft durch Verdunstung", erklärt Gregor Grassl. In Rastatt sorgen rund 1.000 neu gepflanzte Bäumen im Stadtgebiet für kühlere Temperaturen im Sommer. Gleichzeitig nehmen sie CO2 und Schadstoffe auf, produzieren Sauerstoff und sorgen damit für eine bessere Luftqualität.
2. Mit Pflanzen kühlen: Fassaden begrünen, Böden entsiegeln
Die Entsiegelung von Flächen spielt eine entscheidende Rolle für das Mikroklima in Städten. "Plätze und Wege müssen nicht immer mit Asphalt bedeckt sein. Kiesflächen, wie sie in Biergärten zu finden sind, oder Rasengittersteine auf Parkplätzen sind geeignete Alternativen, denn sie verringern den Hitzeeffekt und sind oft kostengünstiger als Asphalt", erklärt Grassl.
Neben Bäumen und Grünstreifen gehört auch die Begrünung von Fassaden zu einem effektiven Mittel, das Klima in Städten zu verbessern. Da die Umsetzung solcher Begrünungsmaßnahmen oft zeitintensiv ist, gibt es auch schnellere Lösungen zur Linderung der Hitzebelastung. In Dormagen wurden an stark frequentierten Plätzen und in der Fußgängerzone kostenlose Trinkwasserbrunnen installiert. Diese sollen nicht nur das Trinken fördern, sondern auch hitzebedingte Erkrankungen vorbeugen und so die Gesundheit der Stadtbewohner schützen.
3. Reflektierende und helle Materialien einsetzen
Neben mehr Grünflächen wirken helle, reflektierende Materialien der Hitze in Städten entgegen. Diese können an heißen Tagen eine übermäßige Wärmeeinstrahlung reduzieren. In der Stadtplanung wird dies als Albedo-Effekt bezeichnet. Kurzwellige Strahlung wird reflektiert und das Material erhitzt sich nicht. Besonders positive Ergebnisse erzielt der Albedo-Effekt in dicht bebauten Gebieten mit großen Dachflächen. Helle Betonflächen, Pflasterbeläge aus Beton oder Naturstein oder schottergebundene Decken eignen sich am besten. Eine Kombination aus rauen Oberflächen, porösen Materialien und helleren Farben beim Belag sorgt auch für eine niedrigere Oberflächentemperatur und eine höhere thermische Speicherkapazität. Sofern erforderlich, lassen sich Oberflächen durch das Auftragen einer hellen Farbe im Nachhinein aufhellen.
4. Energiearme Kühllösungen in den Nachtstunden einsetzen
Was viele nicht wissen: Klimaanlagen verstärken den Hitzeinsel-Effekt noch weiter. "Klimaanlagen wie Splitgeräte sind besonders problematisch, weil sie genau dann arbeiten, wenn es heiß ist. Während sie den Innenraum kühlen, geben sie gleichzeitig Abwärme ab, die den Außenraum zusätzlich aufheizt. Dadurch entsteht ein Teufelskreis, in dem immer mehr gekühlt werden muss", erklärt Grassl.
Besser sei es, in Gebäuden auf Low-Tech-Systeme zu setzen. Hierbei wird viel Speichermasse im Gebäude eingebaut, um es nachts durch die Außenluft zu kühlen. Tagsüber bleiben Fenster und Türen geschlossen. "Wenn es nachts draußen zu warm wird, funktioniert dieses Prinzip nicht mehr. Bei der zukünftigen Entwicklung müssen also auch energiesparende und nachhaltige Gebäude aufgrund des Klimawandels saniert werden", merkt Grassl an. Als Alternativen für natürliche Kühlung lassen sich Fußbodenheizungen im Sommer relativ einfach als Kühlböden nutzen. Eine Möglichkeit besteht darin, den Wasserkreislauf nachts abzukühlen und die Wärme aus den Innenräumen nach außen abzuführen. Es ist auch möglich, Decken als Kühlfläche zu nutzen.
Auf Quartiersebene sind sogenannte Low-Energy-Netze sinnvoll, mit denen man sowohl heizen als auch kühlen kann. Das funktioniert so: Im Idealfall wird Wasser im Sommer zum Kühlen verwendet und dadurch erwärmt. Das erwärmte Wasser wird daraufhin gespeichert. Im Winter wird das warme Wasser zum Heizen genutzt und erneut abgekühlt. Dieses Verfahren kann sich im Sommer sogar positiv auf die Gesamtenergiebilanz auswirken.
5. In die Höhe statt Breite bauen
"Hochhäuser beschatten sich gegenseitig und schützen die Wohnungen vor dem Aufheizen. Damit das funktioniert, dürfen die Fensterflächen nicht mehr als 40 Prozent betragen. Glaspaläste sind kostspielig im Energieverbrauch, sowohl im Sommer als auch im Winter, da Glas eine schlechte Dämmung bietet", erklärt Gregor Grassl.
Ein weiterer Vorteil: Hochhäuser erzeugen Verwirbelungen und Aufwinde. Das trägt zu einer besseren Durchlüftung der Quartiere bei. Gezielt eingesetzt dienen sie der Abkühlung und sind mit natürlichen Landschaftselementen wie einem Fluss vergleichbar, der neben der Kühlung durch das Wasser auch immer als Frischluftschneise und durch seine Bewegung als Durchlüftungszone fungiert."
Förderprogramme und neue gesetzliche Impulse
Um entsprechende Maßnahmen in Deutschland zu fördern, unterstützt der Bund gezielt Landkreise und Kommunen. Seit Juli 2024 setzt das Klimaanpassungsgesetz (KAnG) zudem einen verbindlichen Rahmen: Es verpflichtet die Bundesländer, eigene Anpassungsstrategien zu entwickeln und sicherzustellen, dass auch die Kommunen entsprechende Konzepte erarbeiten und umsetzen. Eine aktuelle Umfrage im Auftrag des Umweltbundesamts (UBA) zeigt, dass sich hier schon viel passiert: Über 40 Prozent der befragten Kommunen haben bereits Maßnahmen zur Klimaanpassung umgesetzt, und fast ebenso viele planen konkrete Schritte2.
Am 15. Mai 2025 öffnete zusätzlich ein neues Förderfenster im Rahmen des KAnG, das gezielt die Entwicklung und Umsetzung kommunaler Klimaanpassungskonzepte unterstützt.3 Noch bis zum 15. August 2025 können Städte und Kommunen ihre Förderanträge einreichen.
Aktuelle Projektbeispiele von Drees & Sommer:
- Klimaanpassungskonzept Cochem-Zell: Der Landkreis ist durch die Lage an der Mosel besonders von den Folgen des Klimawandels betroffen. Nach langen Trockenperioden kommt es oft zu Starkregen und Überflutungen.
- Klimasimulation auf dem Clemens-Areal Wiesbaden: In einem bisher einmaligen Vorgehen simulierte Drees & Sommer verschiedene Modelle und analysierte, wie sich das Mikroklima und der thermische Komfort der Bewohner:innen des Areals vorhersagen lässt.
- Klimaanpassungskonzept Rastatt: Die Stadt hat einen 10-Punkte-Plan ausgearbeitet, der in den kommenden Jahren umgesetzt wird. Mehr grün, mehr Schatten, weniger Beton soll die Stadt abkühlen.
- Klimaanpassungskonzept Dormagen: Auf Basis einer Betroffenheitsanalyse wurde ein Klimaanpassungskonzept erarbeitet.
Quellen:
1 https://www.ecmwf.int/en/newsletter/183/news/current-state-climate-europe
3 Förderdatenbank - Förderprogramme - Förderung der Klimaanpassung
Pressekontakt:
presse@dreso.com
Original content of: Drees & Sommer SE, transmitted by news aktuell