Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V.
Nahrungsergänzungsmittel sind kein Ersatz für Sonnenschutz
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Nahrungsergänzungsmittel sind kein Ersatz für Sonnenschutz
Verbraucherzentrale NRW kritisiert die aktuelle Werbung für „Sonnenkapseln“ mit Betacarotin
- Sonnenschützende Wirkung nicht ausreichend nachgewiesen
- Marktcheck zeigt: Nur drei von 23 geprüften Produkten halten die Höchstmengenempfehlung pro Tag ein
- Einnahme von hochdosiertem Betacarotin kann gesundheitsschädlich sein
Die Werbeaussagen klingen gut: „Für natürliche Bräune und Schutz der Haut“, „Sonnenfit“ oder „verbesserter Lichtschutz“. Das verspricht einen Supereinstieg in den Urlaub – zumal in den sozialen Medien gerade viel über die angebliche Gefährlichkeit von Sonnenschutzmitteln diskutiert wird. Und manche Influencer:innen begeistern sich so sehr für die angepriesenen Sonnenkapseln, dass sie gerne mehr versprechen, als die Produkte halten können. Die Verbraucherzentrale NRW warnt davor, sich auf Nahrungsergänzungsmittel als Sonnenschutz zu verlassen und warnt vor hochdosierter Einnahme.
Betacarotin schützt nicht ausreichend
Nach den Erkenntnissen der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA bietet Betacarotin der Haut keinen umfassenden Schutz vor UV-Strahlung/Sonne. Denn dass die Haut durch die Aufnahme von Sonnenkapseln einen wirksamen natürlichen Schutzschirm gegen die schädliche UV-Sonneneinstrahlung aufbaut, ist wissenschaftlich nicht ausreichend erwiesen. Solche Aussagen sind in der Werbung daher verboten. Der Hinweis, dass die Sonnenkapseln als Sonnenschutz nicht ausreichen, war lediglich auf neun der 23 im Rahmen eines Marktchecks der Verbraucherzentrale NRW überprüften Produkte zu finden. Auch andere Carotinoide wie Lutein oder Astaxanthin können zwar die Hautfarbe beeinflussen, bieten aber praktisch keinen Schutz vor der Sonne. Bei den wenigen Studien, die einen positiven Nutzen zeigen konnten, war eine mindestens zehnwöchige Einnahme von mehr als 20 Milligramm Betacarotin pro Tag notwendig – aus gesundheitlicher Sicht deutlich zu viel, das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt maximal 3,5 Milligramm pro Tag.
Zu hohe Dosierung birgt Gefahren
„Das Provitamin Betacarotin verleiht dem Körper zwar eine gewisse Brauntönung, ähnlich wie man es von sogenannten ‚Möhrenbabys‘ kennt“, erklärt Angela Clausen, Expertin für Nahrungsergänzungsmittel bei der Verbraucherzentrale NRW. Auch biete es, wie fast alle Mikronährstoffe in Gemüse und Obst, einen gewissen antioxidativen Schutz: „Man weiß, dass Antioxidantien schützende und gesundheitsfördernde Wirkungen entfalten, wenn sie im Rahmen einer gemüse- und obstreichen Ernährung aufgenommen werden. Jedoch ist nicht bewiesen, dass isolierte Antioxidantien in Form von Nahrungsergänzungsmitteln vor Hautschädigungen oder Krankheiten schützen. Betacarotin in isolierter Form kann bei zu hoher Dosierung sogar eine gegenteilige – negative – Wirkung haben und beispielsweise Krankheiten wie Lungenkrebs bei Raucher:innen fördern.“ Genau deswegen gibt es die genannte offizielle Höchstmengenempfehlung. Clausen ergänzt: „Leider halten sich viele Hersteller nicht daran. In unserer aktuellen Marktstichprobe haben wir 23 Nahrungsergänzungsmittel, die mit Sonne/Bräune werben und/oder Betacarotin enthalten, unter die Lupe genommen. Gerade einmal drei von 23 Produkten, also nur 13 Prozent halten die Höchstmengenempfehlung von maximal 3,5 Milligramm pro Tag ein.“
„Dieses Ergebnis unterstreicht einmal mehr die langjährige Forderung der Verbraucherzentrale NRW nach gesetzlichen Höchstmengen für Mikronährstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln. Sollte sich die Umsetzung auf europäischer Ebene weiter verzögern, sind nationale Regelungen unabdingbar.“
Selbstbeschränkung der Lebensmittelindustrie funktioniert nicht
Neben der Höchstmengenempfehlung gibt es auch eine freiwillige Selbstbeschränkung der Lebensmittelindustrie. Demnach sollten in Nahrungsergänzungsmitteln maximal 4,8 Milligramm Betacarotin pro Tagesdosis enthalten sein. Davon fanden die Verbraucherschützer im Rahmen ihres Marktchecks drei Produkte mit einer Tagesdosis zwischen 3,6 und 4,8 Milligramm. Die 17 Produkte, die mehr Betacarotin enthalten, sollten laut Selbstverpflichtung einen Hinweis tragen, dass sie für starke Raucher:innen nicht geeignet sind oder dass die Anwendung zeitlich begrenzt erfolgen soll. Dieser Raucherhinweis war jedoch nur bei neun Produkten vorhanden. „Damit halten sich weniger als die Hälfte der Hersteller an die seit 2001 geltende Selbstverpflichtung“, kritisiert Angela Clausen. „Die Ergebnisse des Marktchecks zeigen darüber hinaus, dass sieben der 23 betrachteten Produkte sogar die maximal akzeptable Tageshöchstmenge von 15 Milligramm für zugesetztes Betacarotin überschreiten. Aus unserer Sicht ist es absolut unverständlich, dass solche Nahrungsergänzungsmittel am Markt sind. Die Hersteller müssen die Sicherheit bei einer Einnahme über längere Zeit garantieren können, das erscheint uns schwierig, wenn so häufig auf die Warnhinweise verzichtet wird.“
Weiterführende Infos:
Mehr zu Betacarotin-Kapseln und Sonnenschutz gibt es hier:
www.klartext-nahrungsergaenzung.de/node/10733
Nahrungsergänzungsmittel sicher regulieren: Das Positionspapier der Verbraucherzentralen und des Verbraucherzentrale Bundesverbandes gibt es hier: https://www.verbraucherzentrale.de/node/102627
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