Westdeutsche Allgemeine Zeitung

WAZ: Putin lügt sich die Wunden schön. Kommentar von Ulrich Reitz

18.03.2014 – 19:07

Essen (ots)

Russlands Putin hat an die Deutschen appelliert, den russischen Raub der Krim als "Wiedervereinigung" hinzunehmen, denn Russland habe schließlich auch die deutsche Wiedervereinigung rückhaltlos unterstützt. Das freilich ist eine glatte Lüge. Als der damalige Kanzler Kohl Anfang 1990 seinen Zehn-Punkte-Plan zur Wiedervereinigung veröffentlichte, protestierte Russlands Gorbatschow gegen diese Einmischung in die inneren Angelegenheiten der DDR. Später dann versuchte der Sowjet-Führer, sich mit Frankreichs Mitterrand und Großbritanniens Thatcher - beide lehnten die deutsche Wiedervereinigung anfangs ab - zu verbünden. Im Berliner Kontrollratsgebäude sollte eine neue, alte Plattform zur Kontrolle der deutschen Frage entstehen. Verhindert hat das der amerikanische Präsident Bush (der Ältere). Als einzige der Siegermächte unterstützten die Amerikaner die Wiedervereinigung. Russland war dagegen, musste aber klein beigeben. Weshalb? Die DDR war pleite, sie hätte im Frühjahr 1990 einen Milliardenkredit (15 Milliarden Mark) gebraucht, den Kohl ihr klugerweise verweigerte. Die Sowjetunion war aber gleichfalls pleite, ihr fehlten nach westlichen Schätzungen 90 Milliarden Rubel. Moskau hatte kein Geld, um der DDR zu helfen. Zur selben Zeit war die Sowjetunion nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch am Ende. Im Zeichen der Glasnost-Reform regten sich in Georgien, Armenien, Litauen und der Ukraine nationale Unabhängigkeitsbewegungen. In der CSSR und in Bulgarien brachen die kommunistischen Regierungen zusammen. Im Januar 1990 forderte Polens Walesa den Abzug der sowjetischen Truppen. Mit anderen Worten: Russland stimmte damals nicht, wie von Putin behauptet, vorbehaltlos und aus Respekt für die Selbstbestimmung der Deutschen für Deutschlands Einheit, sondern, weil es politisch und wirtschaftlich zu schwach war, das Ganze zu verhindern. Gorbatschow handelte für seine Kapitulation Anfang September 1990 einen deutschen Kredit von 15 Milliarden DM aus. Um den damaligen Zusammenbruch geht es Putin heute wieder. Er empfindet das, wie die meisten Russen wohl, als nationale Schmach. Auf der Krim steht ein blutender Bär.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de

Original-Content von: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Orte in dieser Meldung
Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
  • 18.03.2014 – 19:03

    WAZ: Der Rechnerstreit. Kommentar von Theo Schumacher

    Essen (ots) - Das Ding, um das es geht, war zügig mit dem Etikett "Edeltaschenrechner" beklebt - und das zeigt schon, welche Richtung der Streit nimmt. 70 bis 100 Euro für ein technisches Hilfsmittel im Mathe-Unterricht wollen auch jene nicht zahlen, die x-fache Ausgaben für Laptops oder das neueste digitale Spielzeug nicht scheuen. Alle fordern doch, wir sollen uns Bildung mehr kosten lassen. Aber damit ist wohl nur ...

  • 18.03.2014 – 19:01

    WAZ: Gelungenes Stück Strukturwandel. Kommentar von Frank Meßing

    Essen (ots) - Krupp Rheinhausen war mit vielen Emotionen verbunden. Ganz Duisburg kämpfte seinerzeit um den Erhalt des Stahlwerks und der Arbeitsplätze. Der Kampf um die Hütte ging verloren. Die zunächst sehr zähen Bemühungen, das riesige Areal am Rhein wirtschaftlich zu nutzen und neue Stellen zu schaffen, sind mehr als 20 Jahre später nun aber von Erfolg ...

  • 17.03.2014 – 19:12

    WAZ: Das dramatische Rätsel um MH 370. Kommentar von Frank Preuß

    Essen (ots) - Mehr geht nicht: Nun mischt auch noch die Nasa bei der Suche nach dem verschollenen Flieger MH 370 der Malaysian Airlines sozusagen von ganz oben mit. 26 Länder, 58 Flugzeuge, 43 Schiffe, zehn Tage, fünf bis acht Theorien, ein rätselhafter Funkspruch als letzte Botschaft und keine Spur vom Flugzeug: Das sind die Eckwerte eines dramatischen Rätsels, das uns seit anderthalb Wochen zu staunenden Betrachtern ...