Westdeutsche Allgemeine Zeitung

WAZ: Gericht verbietet Berichterstattung - Der Fall der No-Angels-Sängerin. Leitartikel von Lutz Heuken

16.04.2009 – 20:12

Essen (ots)

Ja, auch die WAZ hat es getan. Als die
Staatsanwaltschaft die Verhaftung der No-Angels-Sängerin Nadja 
Benaissa bekannt gab, haben wir darüber berichtet. Wir haben sachlich
geschrieben, was man der 26-Jährigen vorwirft: Sie soll ungeschützten
Geschlechtsverkehr gehabt haben, obwohl sie wusste, dass sie 
HIV-positiv ist; zumindest einen Mann habe sie angesteckt, so der 
öffentlich (!) erhobene Vorwurf der Staatsanwälte. Wegen 
Wiederholungsgefahr sitzt sie in U-Haft. Treffen die Vorwürfe zu, 
droht der Frau eine jahrelange Haftstrafe.
Inzwischen entwickelt sich der Fall zu einem Politikum. Das 
Landgericht Berlin hat der Bild-Zeitung untersagt, weiter über den 
Fall zu berichten. Grund: Es gebe kein öffentliches Interesse.
Nun gibt es sicherlich Leser, die sich nicht für den Fall Nadja 
interessieren. Und die der Meinung sind, so etwas gehöre nicht in die
Zeitung. Außerdem gibt es viele gute Gründe, die sich gegen den 
Journalismus à la Bild-Zeitung einwenden lassen.
Haben die Richter also Recht? Nein: In diesem Fall geht es 
nämlich nicht um die Qualität von Boulevard-Journalismus, es geht um 
wesentlich mehr. Es geht um Pressefreiheit, es geht um einen Pfeiler 
unseres Gemeinwesens. Wir dürfen nicht zulassen, dass jegliche 
Berichterstattung über Prominente durch Gerichte verboten wird. Was 
für Nadja Benaissa gilt, gälte dann ja auch für Zumwinkels 
Steuerhinterziehung und Althaus' Skiunfall. Oder: Hätten die 
Zeitungen verschweigen sollen, dass der damalige NRW-Verkehrsminister
Wittke mit Tempo 109 durch eine Ortschaft raste?
Besteht bei all diesen Vorfällen wirklich kein öffentliches 
Interesse? Alles reine Privatsache also? Wohl kaum. Ein 
Ministerpräsident muss sich fragen lassen, ob er sein Amt noch 
ausführen kann und will, obwohl er zumindest Mitschuld am Tod eines 
Menschen trägt. Ein Raser ist als Verkehrsminister denkbar 
ungeeignet. Ein steuerhinterziehender Postchef wirft ein schlechtes 
Licht auf die ganze Manager-Kaste. Und wenn die Vorwürfe gegen die 
No-Angels-Sängerin zutreffen, hat sie als Teenie-Idol ausgedient.
Natürlich gilt im Fall Nadja Benaissa weiterhin die 
Unschuldsvermutung. Sie ist nicht verurteilt. Und natürlich wird die 
WAZ nicht sensationsgierig möglichen Liebhabern der Frau nachspüren. 
Hier unterscheiden wir uns eben vom Boulevard-Journalismus. Nur: Wir 
werden uns mit allen Mitteln dagegen wehren, wenn der Staat oder ein 
Gericht in unsere freie Berichterstattung eingreift. Denn: Wo soll 
enden, was mit dem No-Angels-Star anfängt?

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