Westdeutsche Allgemeine Zeitung

WAZ: Massive Kritik an Kanzlerin Merkel - Attacke aus den eigenen Reihen - Leitartikel von Angela Gareis

13.04.2008 – 19:46

Essen (ots)

Kaum ein Sozialdemokrat würde es wagen, Angela
Merkel öffentlich derart umfassend anzugreifen: Machtkanzlerin, 
taktisch geschickt, aber ohne inhaltliches Konzept. Ihre 
Reformbilanz? Ungenügend. Und auch dies: Merkel lässt 
innerparteiliche Kritiker massiv einschüchtern.
Josef Schlarmann, Mitglied im CDU-Vorstand und Vorsitzender der 
Mittelstandsvereinigung der Union, hat das alles in einem 
bemerkenswerten Interview gesagt. Damit lenkt Schlarmann Blicke, die 
sich in den vergangenen Wochen auf die trostlosen Darbietungen der 
SPD konzentrierten, auf den Gesamtzustand der Großen Koalition, auf 
die verantwortliche Kanzlerin, sowie auf die CDU und die 
verantwortliche Vorsitzende. Folgt man den Ausführungen Schlarmanns, 
der viele Mitglieder hinter sich wähnt, dann scheint es seiner Partei
kaum besser zu gehen als der SPD. Es ist nur alles umgekehrt. In der 
SPD versuchen die Regierungstätigen, den Reformkurs der Agenda 2010 
gegen ihren Vorsitzenden Kurt Beck und Teile der Basis zu 
verteidigen. In der CDU kommt der Druck aus der Basis, die 
Vorsitzende und Kanzlerin solle sich an ihr Reformprogramm von 
Leipzig erinnern und entsprechend regieren.
In der Momentaufnahme präsentiert sich das Regierungsgeschehen 
so: Die Bahnreform droht im sozialdemokratischen Machtkampf zu 
scheitern oder ungetümliche Formen anzunehmen wie seinerzeit die 
Gesundheitsreform. Der Gesundheitsfonds, kleinverhandeltes Ergebnis 
des einstigen Großprojekts, steht schon wieder zur Disposition. Durch
die geringe Rentenerhöhung fühlen sich Rentner beleidigt und Jüngere 
verunsichert, weil sie bei ungewissen Perspektiven die Kosten werden 
tragen müssen. Die Haushaltssanierung provoziert Unhöflichkeiten in 
den Verhandlungen zwischen dem Finanzminister und einigen seiner 
Kollegen.
Die fehlende Balance bei der Verteilung der Ministerien könnte 
sich in der Rückschau als zentrale Schwäche der Großen Koalition 
erweisen. Nach den Koalitionsverhandlungen freuten sich die 
agendatreuen Sozialdemokraten darüber, alle wichtigen 
Reformministerien erobert zu haben. Die ihrem eigenen Reformprofil 
untreu gewordene Kanzlerin freute sich, die unpopulären Ressorts 
losgeworden zu sein. Einen gemeinsamen Kurs konnte die Koalition 
schwerlich entwickeln, weil die Lasten der Reformen zu einseitig bei 
den Sozialdemokraten lagen. Heute zeigt die SPD zwei riskant 
widerstreitende Profile, Reformwillen und Verteilungssehnsucht, die 
Union aber überhaupt keins.

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