Kölnische Rundschau: Kommentar zu Netanjahu/EU
Köln (ots)
Europa vorgeführt
Sandro Schmidt
zum Besuch von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in Brüssel
Es ist der erste Besuch eines israelischen Regierungschefs bei der Europäischen Union seit 22 Jahren, und das ist kein Zufall: Die Beziehungen zwischen der EU und der Regierung des jüdischen Staates sind seit Langem angespannt.
Das liegt einmal daran, dass die Union zwar vehement und uneingeschränkt für das Existenzrecht Israels eintritt, andererseits die dortigen Regierungen aber auch immer wieder drängt, in den Friedensverhandlungen mit den Palästinensern nachgiebiger zu sein und ihre Maximalpositionen aufzugeben. Das gefällt vor allem rechtskonservativen Ministerpräsidenten wie Benjamin Netanjahu gar nicht.
Zweitens ist Jerusalem auch nur begrenzt auf das europäische Wohlwollen angewiesen. Oft genug haben dortige Regierungschefs deutlich gemacht, dass ihnen Brüssel angesichts der nahezu machtpolitischen Bedeutungslosigkeit im Nahen Osten am Ende gleichgültig ist. Jerusalem setzt hier auf die USA. Und selbst weniger Israel-hörige Präsidenten wie Barack Obama schafften es nicht, dessen nationalistischen Kurs aufzuweichen.
Israel setzte und setzt auf Zeit, die Macht des Faktischen und die des Militärs, bleibt stur - und hat mit dieser Härte immer wieder Erfolg, wie die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt des jüdischen Staates durch US-Präsident Donald Trump vergangene Woche zeigte. Kein Wunder, dass Benjamin Netanjahu mit breiter Brust in die EU-Zentrale reiste. "Jerusalem ist die Hauptstadt Israels, und niemand kann das verneinen", gab er den Außenministern nicht ohne Seitenhieb auf deren augenscheinliche Machtlosigkeit im internationalen Geschäft mit auf den Weg.
Dass die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini auf der einzig richtigen, seit Jahrzehnten vom Westen vertretenen Position beharrte, die Jerusalem-Frage könne erst in einem Friedensvertrag zwischen Israelis und Palästinensern abschließend gelöst werden, dürfte bei Netanjahu nur ein müdes Lächeln hervorgerufen haben. Zumal er sicher sein kann, dass die EU-Staaten wie bei vielen anderen wichtigen außenpolitischen Themen ohnehin uneins sind: Diesmal stoppte Ungarn eine geplante gemeinsame Verurteilung der Trumpschen Pläne für die Anerkennung Jerusalems durch ein Veto.
Netanjahu hat Europa also ein wenig vorgeführt. Und es wird ihm angesichts seit Jahren anhaltender EU-Kritik an seinem Kurs eine Genugtuung gewesen sein. Zumal er sich angesichts unsäglicher Verbrennungen von Israel-Fahnen einiger Judenhasser bei Protesten zum Beispiel in Berlin in seiner falschen Meinung bestätigt sehen dürfte, auf dem alten Kontinent grassiere Antisemitismus. Dies ist gottlob nicht der Fall, auch wenn man angesichts solch widerlicher Exzesse nicht scharf genug reagieren kann, wie es Bundesregierung und Mogherini taten. Hass säht nichts als Hass - auch wenn er von fehlgeleiteten Demonstranten ausgeht.
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