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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Griechenland

Bielefeld (ots)

Es ist Europas unrühmlichste Seite, die sich da gerade entlang der Balkanroute zeigt. Österreich hat eine perfide Kettenreaktion in Gang gesetzt. Als die Alpenrepublik ihre Grenzen quasi dichtgemacht hat, folgten die Balkanstaaten, bis nun Griechenland als schwächstes Glied auf Zehntausenden von Flüchtlingen sitzenbleibt. Selbst ein bestens funktionierender Staat hätte größte Probleme, 13 676 Kilometer Küstenlinie so abzusichern, dass kein Schlauchboot mehr durchkommt.

Die Lage ist aussichtslos, weil von allen Seiten zurückgewiesene und neu ankommende Asylbewerber nach Griechenland gepresst werden. Wie der ohnehin schon am Boden liegende Staat mit dieser Herausforderung fertig werden soll, darauf hat die EU keine Antwort. Und die Hoffnung, dass ein Waffenstillstand in Syrien oder eine Kooperation mit der Türkei den Zustrom drosseln könnte, erscheint mehr und mehr als frommer Wunsch.

Hellas droht zum Schauplatz unmenschlicher Tragödien zu werden - als ob das Land nicht schon genug mit sich selbst zu tun hätte. In der Euro-Krise, als es um die Rettung des eigenen Geldes ging, stand die Euro-Zone zusammen. Und jetzt?

Natürlich gibt es auch Lichtblicke. Die Slowakei hat Wien angeboten, Hunderte von Flüchtlingen aufzunehmen und zu betreuen, bis deren Asylverfahren abgeschlossen sind. Das auch nicht gerade wohlhabende Portugal bot Griechenland, Österreich, Italien und Schweden an, insgesamt 5800 Asylbewerber mehr als vorgesehen zu übernehmen. Solche Gesten mögen an der Gesamtlage nichts ändern, aber sie lassen auf einen Rest von Anstand und Solidarität hoffen. Niemand bezweifelt, dass die Länder entlang der Balkanroute überfordert sind. Aber der Alleingang Wiens löst keine Probleme, er schafft neue, wenn auch an anderer Stelle.

Das ist das eigentliche Problem österreichischer »Selbstjustiz«: Die Flüchtlingskrise wird verdrängt, von den eigenen Grenzen ferngehalten. Mit einer Lösung hat das nichts zu tun. Diese EU muss umdenken. Athens Rolle in der Union und in diesem Fall sogar für die ganze Gemeinschaft sollte gestärkt und unterstützt werden. Da geht es nicht um ein paar Computer oder Grenzschützer. Griechenland benötigt einen Marshall-Plan, um nicht unter den Lasten der Staatssanierung zusätzlich zu den Flüchtlingen zusammenzubrechen. Diese Gefahr ist real - und näher als viele glauben.

Europa braucht einen gemeinsamen Grenzschutz, eine EU-Polizei, die die Übergänge überwacht und Ankommende nach gleichen Kriterien erfasst, registriert, ihre Anträge beurteilt und dann aufteilt. Und man wird sich auf europäisches Kontingentsystem verständigen müssen, um die Lasten gemeinsam zu schultern. Wenn diese konzertierte Aktion nicht zustande kommt, steht uns eine humanitäre Katastrophe ins Haus.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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