Westfalen-Blatt: zur Bischofskonferenz
Bielefeld (ots)
Deutschlands katholische Bischöfe erleben ihre Kirche, aber auch die Religion insgesamt unter einem Jahr um Jahr steigenden Druck. Die viertägige Frühjahrstagung in Hildesheim reichte kaum aus, um die Gesamtlage vom fehlenden Priesternachwuchs, über die neue Finanztransparenz bis zur Ukraine und dem himmelschreienden Unrecht im Israel-Palästina-Konflikt auch nur ansatzweise auszuleuchten. Der IS-Terror stelle Religionen allgemein unter Generalverdacht, beklagte Gastgeber Norbert Trelle gestern vor seinen Mitbischöfen. So werde in der politischen Debatte gefragt: »Wenn man auch islamistischen Terror und Islam nicht gleichsetzen kann, haben sie nicht beide aus der derselben Quelle getrunken, nämlich der Quelle des Irrationalen?« Und: »Wie ist es eigentlich für moderne Gesellschaften verkraftbar, wenn Religionen - alle Religionen - mit ihren Glaubensüberzeugungen absolute oder jedenfalls sehr weitgehende Wahrheitsansprüche verbinden?« Ja, Religionen sind im Kern fundamental, nicht wenige meinen fundamentalistisch. Die Wahrheit des einen schließt die Wahrheit des anderen zunächst aus. Das wird gerade in der keineswegs geschlossenen islamischen Welt auf eine furchtbare Art und Weise deutlich. Das ist aber auch ein kaum zu überwindendes Hindernis in modernen Gesellschaften, die die Beliebigkeit zum Freiheitsideal erklären. Dabei sind es gerade die großen Kirchen, die im Bemühen um Ökumene zeigen, dass neben dem Trennenden deutlich mehr Verbindendes steht. Die deutsche Bischofskonferenz muss erkennen, dass sie die Masse der 24,1 Millionen Katholiken in Kernfragen der Lehre nicht mehr erreicht. So hat sie es in vielen Jahren auch nicht vermocht, die sicherlich sehr spezielle Frage des Umgangs mit wiederverheirateten Geschiedenen zu lösen. Jetzt wird die Problematik nach Rom getragen auf die höchste Entscheidungsebene. Auch die vatikanische Synode im Herbst wird wieder keinen Ausweg weisen. In Hildesheim wurde immerhin die Formel gefunden, man müsse »neu von der Familie ausgehen, um den Kern des Evangeliums wirksam zu verkünden«. Es gelte »das freie Handeln des Herrn auch außerhalb unserer gewohnten Schemata zu erkennen«. Die Formelsprache birgt möglicherweise Revolutionäres - nämlich neue Freiheiten jenseits der alten Lehrsätze. Nach katholischer Lehre ist Scheidung fast wie Ehebruch, der mit Sünde und Schuld beladen ist. Deshalb gibt es Überlegungen, einen der beiden Ex-Partner nach Buße und theologischem Gespräch eventuell wieder zur Kommunion zuzulassen. Das ist eher eine Krücke als eine Brücke auf dem Weg zurück in die Gemeinde. Warum bekommt der Pfarrer vor Ort nicht freie Hand? Nur er, und kein Bischof, holt verlorene Söhne und Töchter zurück in die Kirche.
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